Wenn es um dystopische Visionen für die Zukunft geht, dann spielt das Sci-Fi-Franchise "Warhammer 40.000" in einer eigenen Liga. Denn während die meisten Settings bloß ein paar Hundert Jahre in die Zukunft blicken, geht es hier – wie der Name schon vermuten lässt – gleich 40.000 Jahre in die Zukunft.

Ein zeitlich derart weit entfernt liegendes Setting erlaubt entsprechend viel Freiraum bei der Gestaltung von Welt, Charakteren und Geschichten. Seit dem Start von Warhammer 40.000 als Tabletop-Spiel in den späteren 1980ern hat dies auch zu zahlreichen mehr oder weniger gelungenen Computerspielen geführt. Und das jüngste dieser digitalen Werke, Warhammer 40.000: Chaos Gate – Daemonhunters, hat der STANDARD auf dem PC getestet.

Warhammer 40,000: Chaos Gate - Daemonhunters

Gottimperator gegen Killerplage

Für Laien kurz zusammengefasst lautet das Prinzip von Warhammer 40.000: Die Zukunft ist fürchterlich, es gibt keine Guten. Stattdessen kämpfen verschiedene Völker mit brutalen Mitteln gegen die Vorherrschaft im Universum. Dazu gehören etwa übermächtige Chaosgötter, die aus einer Parallelwelt – dem "Warp" – entsprungen sind und eine Armee furchteinflößender Dämonen anführen, sowie klassische Fantasyvölker wie Dunkelelfen und Orks und die Tyraniden, die in ihrem Aussehen ein wenig an H.R. Gigers "Alien" erinnern.

Und die Menschheit? Die wird von einem Gottimperator angeführt, der eingeschlossen in einem goldenen Thron am Leben gehalten wird, indem ihm täglich 1.000 Menschenopfer erbracht werden. Mit brutaler Waffengewalt geht dieses Volk gegen alle vor, die sich der Lehre des Theokraten entgegenstellen wollen – unter anderem in Form einer von historischen Ereignissen inspirierten Inquisition und durch Space Marines: genetisch manipulierte Übersoldaten, die über 19 zusätzliche Organe verfügen und drei Tage ohne Schlaf auskommen. Sie wurden im Lauf ihres Lebens umfassend indoktriniert und folgen ihrem autokratischen Herrscher daher bis in den Tod.

Eben eine solche Truppe aus Supersöldnern führen wir in Warhammer 40,000: Chaos Gate – Daemonhunters an, als Feind fungiert dabei eine Seuche, die vom Plagengott Nurgle in die Welt gesetzt wurde und Menschen in tollwütige Zombie-Dämonen verwandelt.

Rundenbasierte Strategie

Da das Setting von Warhammer 40.000: Chaos Gate – Daemonhunters nun also restlos geklärt und alle Klarheiten beseitigt wurden, können wir auch über das Spiel per se sprechen. Es handelt sich hierbei um ein rundenbasiertes Strategiespiel, vergleichbar etwa mit den Xcom-Spielen oder mit Das Schwarze Auge: Blackguards.

In rundenbasierten Kämpfen wird den Bösewichten die Hölle heiß gemacht.
Foto: Complex Games/Frontier Foundry

In den recht kurzweiligen Missionen steuert man eine Gruppe aus meist vier Supersoldaten über das Schlachtfeld. Jeder der Space Marines hat eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten, die eingeteilt werden, um Aktivitäten durchzuführen: zu einem anderen Standort rennen, schießen, einen Nahkampfangriff ausführen, einen anderen Space Marine heilen – oder auch einen Modus namens "Überwachung" nutzen, bei dem der Marine auf einen Gegner schießt, wenn sich dieser in das überwachte Feld stellt. Haben die Marines ihre Züge durchgeführt, so sind die Gegner an der Reihe und ballern ihrerseits mit vollem Enthusiasmus auf die Handlanger des Imperators.

Es wogt der Warp

Eine Besonderheit des Spiels ist dabei das "Warpwogen-Risiko": ein Pegel, der sich mit jeder Spielrunde füllt, von Gegnern über den Einsatz von Magie weiter nach oben getrieben wird und zusätzlich steigt, wenn die Space Marines ihre eigenen Spezialfähigkeiten einsetzen. Ist die Anzeige schließlich bei 100 Prozent, so findet ein Ereignis zum Nachteil des Spielers statt, zum Beispiel kommen neue Gegner ins Spiel oder die bestehenden Feinde erhalten zusätzliche Fähigkeiten.

Spezialaktionen verleihen dem Spiel noch mehr Atmosphäre.
Foto: Complex Games/Frontier Foundry

Dem Spielverlauf verleiht das einen zusätzlichen Reiz. So überlegt man es sich mit Blick auf den steigenden Warp-Zähler genau, ob man den Gegner wirklich mit einem verstärkten Schwerthieb (ja, in diesem Sci-Fi-Setting haben die Soldaten Schwerter) erledigt oder doch lieber hofft, ihn auf konventionelle Art zu erledigen, bevor die nächste Verstärkung aus dem Warp eintrifft. Entscheidet man falsch, so kann es auch mal passieren, dass man der zahlenmäßigen Überlegenheit der neu aufgetretenen Gegner hoffnungslos ausgeliefert ist.

Fingernagel-kau-Garantie

Nicht selten habe ich während der Schlachten nervös an meinen Fingernägeln gekaut – und dabei war die Warpwoge nur ein Faktor von vielen. So muss genau überlegt werden, in welcher Abfolge die einzelnen Space Marines ihre Züge ausführen, wer vorpreschen und wer lieber im Hintergrund bleiben sollte, weil er schon zu stark verletzt ist.

Manche Space Marines punkten durch Fernkampf- andere durch Nahkampffähigkeiten, wieder andere können ihre Kameraden heilen. Gewisse Fähigkeiten und Gegenstände – etwa Granaten – können pro Marine bloß einmal pro Mission eingesetzt werden und müssen daher wohlüberlegt eingeteilt werden.

Außerdem kann das Terrain genutzt werden, um in Deckung zu gehen. Säulen können umgeschmissen werden, um sie auf gegnerische Horden stürzen zu lassen. Und bei besonders erfolgreichen Angriffen kann entschieden werden, mit welchem Nachteil der Feind versehen wird. Das kann auch mal sehr blutig werden: Entscheidet man sich, die Schusswaffe des Gegners unbrauchbar zu machen, so hackt der imperiale Supersoldat dem Zombie schlichtweg die Hand ab.

Fliegende Kathedrale mit vielen Konflikten

Die Developer des Spiels haben außerdem dafür gesorgt, dass uns zwischen den Missionen nicht langweilig wird. So fliegen wir mit unserem Raumschiff, der Edikt, zwischen den Planeten umher, um die dämonische Pest auf den einzelnen Planeten zu bekämpfen. Passend zum allgemeinen Setting erinnert unser mobiles Zuhause dabei an eine fliegende Kathedrale mit etlichen Zinnen und Türmchen.

Unser Raumschiff, die Edikt, sieht wie eine fliegende Kathedrale aus.
Foto: Complex Games/Frontier Foundry

Und eben in dieser Kathedrale gibt es mehr als genug zu tun. So müssen Reparaturen am Schiff durchgeführt werden, an anderer Stelle wird an der Ursache und Bekämpfung der Pandemie geforscht. Die Soldaten selbst können mit verschiedenen Waffen und wie in einem RPG mit einem Skilltree weiterentwickelt werden. Und dann gibt es noch die verschiedenen Konflikte zwischen den Teammitgliedern.

Denn neben den Space Marines ist auch Vakir mit an Bord – eine Inqusitorin, die vom Erscheinungsbild eher an Manga als an Dark Fantasy erinnert und sich mit Sprüchen wie "Ihr seid vielleicht der Hammer, aber ich bin diejenige, die ihn führen muss" gerne mal wichtigmacht. Sie diskutiert öfters mit dem bereits etwas in die Jahre gekommenen Space Marine Ectar und mit Lunete, einer ebenfalls mitreisenden – ähm... – "Domina-Techpriesterin".

Vakir ist eine Inquisitorin und macht sich gerne wichtig.
Foto: Complex Games/Frontier Foundry

Und dann schaltet sich zwischendurch auch noch der Chef ein, der einen Statusbericht erwartet und Anforderungen stellt. In diesem Kontext müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden, etwa in Bezug auf die in diesem angespannten Umfeld ohnehin schon knappen Personalressourcen: Soll ein Sanitäter im Lazarett eingesetzt werden, um die verwundeten Marines zu versorgen? Das wäre sinnvoll – allerdings fehlt er dann bei künftigen Missionen auf dem Schlachtfeld.

Düster, düsterer, "Warhammer 40.000"

So sehr das Gameplay selbst aber für zerbissene Fingernägel sorgt: Die wahre Stärke des Spiels liegt in der Atmosphäre, denn das eingangs erwähnte dystopische Setting wurde gekonnt umgesetzt. So werden die meist düsteren Spielpläne und Raumschiffräume durch gleißendes Neonlicht erhellt, Technik aus einer weit entfernten Zukunft trifft auf archaisch wirkende Langschwerter.

Die Sprachausgabe ist zumindest in der hier getesteten englischsprachigen Version sehr überzeugend, die Dialoge wirken so pathetisch wie so manch ein Artikel aus dem "White Dwarf"-Magazin – was Fans gut schmecken dürfte. Untermalt wird dies noch von einem Soundtrack, der sich aus Orgelakkorden und gregorianisch klingenden Chorälen zusammensetzt. In Summe ein stimmiges, wenn auch sehr düsteres Gesamtbild.

Fazit: Für Fans und jene, die es werden wollen

Für wen ist Warhammer 40.000: Chaos Gate – Daemonhunters also ein geeignetes Spiel, und wer sollte sich die knapp 45 Euro Kaufpreis lieber sparen? Nicht geeignet ist das Game für alle, die mit rundenbasierter Strategie nichts anfangen können, weil sie schlichtweg mit Action in Echtzeit besser bedient sind. Zugleich sollten aber auch zartbesaitete Menschen um dieses Spiel einen Bogen machen: Wenn die Schergen des Imperators die ketzerischen Dämonen hinrichten oder ihre Gliedmaßen durchtrennen, dann geht es schon mal etwas wilder zu. Und wem das Setting von Warhammer 40.000 zu pathetisch, dystopisch oder schlichtweg zu abgefahren ist, der ist wohl auch mit einem klassischen Fantasyspiel besser beraten.

Gleichzeitig merkt man dem Game an, dass hier Fans des Franchises am Werk waren – und dass ebensolche hier auch auf ihre Kosten kommen. Die fürchterliche Zukunft wurde mit viel Hingabe und Liebe zum Detail umgesetzt, das merkt man an allen Enden, von der Gestaltung der Missionen bis zur Sprachausgabe. Das könnte auch jene Menschen für das Franchise begeistern, die noch keine Fans sind, aber es vielleicht werden wollen.

Man kann ja mal zuerst mit einem Computerspiel anfangen, bevor man sich durch die Massen an verfügbaren Romanen kämpft und etliche Stunden mit dem Bemalen von Zinnfiguren verbringt. (Stefan Mey, 31.5.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Exemplar des Spiels wurde dem STANDARD von Frontier Foundry zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.