Blumenwiesen, egal auf wie viel Raum, sind wichtig für die Artenvielfalt und Futter für Bienen und Schmetterlinge.

Foto: Imago Images / Jochen Tack

Klatschmohn, Kornblumen und Glockenblumen sprießen bereits durch das feine Netz auf dem Grünstreifen. Daneben eine Straße und ein Gehweg am Aufgang zur S-Bahn-Haltestelle Oberalm im Salzburger Tennengau. Ein Schild vom Land Salzburg informiert: "Hier entsteht eine Wildblumenwiese. Bitte um etwas Geduld." Es sind diese kleinen Flächen – egal ob Böschung, Kreisverkehr, Grünstreifen oder Betriebsgelände – die den Unterschied für die Artenvielfalt machen. In den vergangenen Jahren sind deshalb viele Blumenwiesen neu angelegt worden.

Denn artenreiche Wildblumenwiesen und Straßenböschungen sind selten geworden in Österreich. Seit den 1960er-Jahren sind 89 Prozent der Wiesenarten verlorengegangen. Durch die intensive Nutzung von Wiesen, Weiden und Grünflächen dominiert vielerorts die klassische grüne, nährstoffreiche Fettwiese das Landschaftsbild. Blühpflanzen wurden zur Mangelware. Dabei sind magere Standorte Heimat für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, warnt der Naturschutzbund. Sie würden Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Bestäubern Nahrung und Unterschlupf bieten und in der oft ausgeräumten Landschaft zu Rettungsinseln für die Vielfalt werden. Extensiv gepflegte Saumbiotope wie Wegränder, Böschungen und Feldraine haben daher eine zentrale Bedeutung für unser Ökosystem.

Auch in der Stadt Salzburg sind Flächen nun mit wilden Blütenpflanzen bewachsen, statt kurzgeschoren. Seit zwei Jahren gedeiht etwa an der Glan zwischen der Brücke Zaunergasse im Stadtteil Maxglan und der Rauchmühle eine Blumenwiese und ergänzt nebenbei die Erfordernisse des Hochwasserschutzes. Eine 80 Zentimeter dicke Erdschicht, die sich über Jahrzehnte durch Grasschnitt entwickelt hat, wurde abgegraben und so die notwendige Breite des Bachlaufs erweitert. In den Salzburger Parks werden "wilde Ecken" belassen, Obstbäume gepflanzt und auf Verkehrsinseln Blühflächen als Bienenweiden angelegt. Die Stadtgärtner haben zudem die Mähzeiten entlang der Salzach-Böschung umgestellt, und Totholz wird als Lebensraum für Insekten belassen.

Schienenbienen und Blühflächen

Die ÖBB hat ihre Grünflächenpflege ebenfalls überdacht und legt in ganz Österreich Blühwiesen an. Im vergangenen Jahr wurde dazu entlang der Koralmbahn ein Pilotprojekt zur nachhaltigen und naturbelassenen Bewirtschaftung umgesetzt. In Föderlach in der Gemeinde Wernberg bei Villach und Mittlern im Bezirk Völkermarkt hat die ÖBB auf mehr als 6000 Quadratmeter Grünfläche ihr Mähverfahren geändert und Saatgut ausgestreut. Da die Wiesen seither einen insektenfreundlichen Lebensraum bieten und gleichzeitig die Kosten für die Grünpflege gesenkt werden konnten, wird das Projekt nun auf weitere Flächen in der Nähe von Bahnhöfen ausgerollt.

Die ÖBB setzt bei der Grünflächenpflege nun auch auf Wiesen statt häufig gemähtes Gras.
Foto: ÖBB/Daniela Trinker

Für heuer sind zunächst elf weitere Standorte mit 12.300 Quadratmeter Blühfläche geplant, heißt es von der ÖBB. Je nach Gegebenheit werden verschiedene lokale Arten von Blühpflanzen angesetzt, die Mähvorgänge auf maximal zweimal pro Jahr reduziert und die Mahd für fünf bis zehn Tage liegengelassen – so können die Samen der Blumen ausfallen. Auch hier machen Infoschilder auf die Aktion aufmerksam.

Die Blühstreifen nutzen auch den sogenannten Schienenbienen, die seit dem Vorjahr an neun Bahnstandorten in ganz Österreich angesiedelt wurden. Mehr als 60 Stöcke mit rund 3,8 Millionen Bienen haben entlang der Bahnstrecke eine Heimat gefunden. Im Railjet und im Nightjet können die Fahrgäste der ÖBB Schienenhonig zum Frühstück im Speisewagen bestellen.

Neben den Bahntrassen werden auch am Rande der Autobahnen Grünflächen zu Blühflächen. Die Asfinag ist seit 2016 Partnerin des Naturschutzbunds und verwandelt im Zuge des Projekts "Natur verbindet" Straßenböschungen zu Wildblumenwiesen. Der Boden muss dafür vor der Ansaat möglichst nährstoffarm sein. Der mit Stickstoff angereicherte Oberboden wird dazu abgetragen. Dann wird standortgerechtes regionales Saatgut ausgebracht und relativ spät und selten gemäht. Was wiederum eine Arbeitsersparnis für die Autobahnmeistereien bringt.

An der S-Bahn-Haltestelle in Oberalm entsteht gerade eine Wildblumenwiese. Die einjährigen Blüten sind schon da, für den Rest braucht es Geduld.
Foto: Stefanie Ruep

In einigen Salzburger Gemeinden gehört der runtergetrimmte Rasen auf öffentlichen Flächen ebenfalls der Vergangenheit an. In Seeham, Lamprechtshausen und Seekirchen blühen Kornblumen, Narzissen, Wiesensalbei, und in Henndorf sollen sich durch Insektenhotels und Blühflächen Nützlinge wiederansiedeln und wohlfühlen. Auf einer Wildblumenwiese ist immer was los. Hier brummen die Hummeln, Bienen summen, und Schmetterlinge flattern von Blüte zu Blüte. Fünf weitere werden drei Jahre lang vom Salzburger Institut für Raumordnung kostenlos und professionell auf dem Weg zu mehr Biodiversität begleitet. Gemeinsam werden Gemeindeflächen festgelegt, die sich mit heimischen Pflanzen in ein Insektenparadies umgestalten lassen.

Kleinstlebensräume für Insekten

Doch was bringen diese kleinräumigen Grünbereiche, wo nicht gedüngt, nicht gemulcht und höchstens ein- bis zweimal jährlich gemäht wird? Das untersuchen der Umweltwissenschafter und Schmetterlingsforscher Jan Christian Habel und der Insektenforscher Jonas Eberle von der Universität Salzburg. Seit einem Jahr werden an 40 Standorten Wildblumen und Käfer beobachtet und erfasst. Das Standardisierte Biodiversitätsmonitoring zeigt, dass für die Artenvielfalt auch das jeweilige Umfeld um die untersuchten Flächen eine Rolle spielt. Bäume und Sträucher sind für die Insektenpopulation freilich besser als mit Pestiziden behandelte Felder.

"Nach dem ersten Jahr können wir noch keinen konkreten Trend feststellen. Seltene Wildbienen oder Käferarten sind erst im Laufe der Jahre zu erwarten, das ist normal", sagt Habel. Die Vielfalt in der Landschaft wirke sich jedenfalls positiv auf die Biodiversität aus. "Ökologisch intakte Kleinstlebensräume sind groß genug, damit sich Insekten etablieren können, und sie sind äußerst wichtig dafür, dass die Landschaft wieder durchlässiger wird, damit die Insekten wieder durch die Landschaft wandern können und so besser überleben", erklärt der Forscher.

Faul sein im Garten

Auch einzelne Personen mit Garten könnten etwas tun: ein Blühangebot schaffen, um Insekten anzulocken, zudem faul sein und bestimmte Bereiche im Garten einfach nicht mähen, anstatt den Mähroboter ständig laufen zu lassen und alle Nahrungsquellen für Insekten, Kleinsäuger und Schnecken zu vernichten. Wildblumenwiesen erfordern wesentlich weniger Pflege als Rasenflächen.

Der Naturschutzbund hat im Zuge der Kampagne "Natur verbindet" auch eine Onlinebroschüre herausgegeben mit Tipps und Tricks, was es für eine Wildblumenvielfalt braucht. Ausschlaggebend für die Bepflanzung ist die richtige Mischung an Samen, heißt es vom Naturschutzbund. Denn viele im Handel angebotene Saatgutmischungen enthalten keine Wiesenpflanzen, sondern Ackerblumen wie Klatschmohn und Kornblume. Diese blühen zwar rasch und reichlich, müssen als einjährige Pflanzen aber jedes Jahr neu angesät werden. Wildblumensaatgut dagegen enthält regionale Pflanzen wie verschiedene Nelken, Leinkraut oder Flockenblumen. Vor allem heißt es, geduldig zu sein, denn viele Wiesenblumen keimen und wachsen langsam, bis zur richtigen Blütenvielfalt dauert es oftmals bis zu Jahre. Ist eine Wildblumenwiese dann einmal etabliert, braucht sie aber nur mehr wenig Pflege. (Stefanie Ruep, 31.5.2022)