Per pedes oder Fahrrad: Der Linzer Hauptplatz soll in Bewegung kommen. Weit abseits des Autoverkehrs

APA/BARBARA GINDL

Linz – Zwei Tage im Juli 2020 sind vielen Linzer Autofahrerinnen und Autofahrern noch in schlechter Erinnerung. Nach vielen Jahren, geprägt von endlosen und letztlich ergebnislosen Diskussionen rund um eine Verkehrsreduktion in der Linzer Innenstadt im Allgemeinen und im Speziellen am Hauptplatz, zückte der damalige Stadtvize und Verkehrsreferent Markus Hein (FP) das Stoppschild. Mit 15. Juli 2020 wurde der autofreie Hauptplatz eingeführt und auch die zuführende Klosterstraße für den Verkehr gesperrt. Das Ergebnis war ernüchternd: Bereits am ersten Tag versank die Landeshauptstadt im absoluten Verkehrschaos, am 17. Juli stampfte Hein – auch auf das Drängen der Polizei – das Projekt wieder ein. Das Ergebnis sei eindeutig, der Test habe nicht funktioniert, so der Infrastrukturreferent damals.

Aufgestaute Probleme

Wobei man fairerweise erwähnen muss, dass man es den Stadtverantwortlichen nicht leicht gemacht hat: Vier Organisationen (Radlobby, Fridays for Future, AutoFreiTag und Verkehrswende jetzt) veranstalteten damals parallel zum autofreien Auftakt eine Radlerdemo auf der Linzer Nibelungenbrücke, die dann zum kompletten Verkehrsstillstand im Stadtgebiet führte. Hein fühlte sich "provoziert" und warf das Projekt resigniert in die Verkehrstonne.

Der damalige Konfrontationskurs zeigt eindrucksvoll, wie verfahren der Verkehrskarren in der Landeshauptstadt ist. Jahrzehntelang wird schon an einem Mobilitätskonzept getüftelt. Letztlich haben sich aber nur die Fronten zwischen den beteiligten Interessenvertretungen verhärtet. Und vielerorts rollt die Blechlawine längst nicht mehr, zu Stoßzeiten wird Linz innerstädtisch regelmäßig zu einem einzigen Parkplatz. Ein schwacher Trost: Im Vergleich sind die Stauzeiten in Linz aber gering – Österreichs Stauhauptstadt ist Wien. Dennoch: Pendler in Linz verbringen jedes Jahr beinahe zwei Tage ihres Lebens im Stau.

Täglich strömen über 100.000 Arbeitspendlerinnen und Pendler nach Linz zu ihrem Arbeitsplatz. Von 1992 bis 2012 haben die gesamten die Stadtgrenzen übergreifenden Fahrten im Individualverkehr um rund 74.000 zugenommen. Dieselbe Zunahme wird bis 2030 nochmals erwartet.

Unterschiedliche Projekte

Dem gegenüber stehen mehrere Verkehrsprojekte – in ganz unterschiedlichen Realisierungsstadien. 2024 soll die aktuell im Bau befindliche Westringbrücke über die Donau für den Verkehr freigegeben werden. Was die zweite Schienenachse für Linz betrifft, so gibt es zumindest hinsichtlich der Finanzierung ein gemeinsames politisches Bekenntnis von Bund, Land und Stadt. Ein verkehrspolitischer Wackelkandidat ist die geplante Ostumfahrung. Aktuell liegen die Pläne dazu zur Begutachtung im Büro von Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf. Eine tatsächliche Umsetzung in der vorliegenden Form scheint aber unrealistisch. Dazu hängen immer wieder Ideen wie eine Stadtseilbahn in der Linzer Luft.

Die verkehrspolitische Großbaustelle in der oberösterreichischen Landeshauptstadt hat seit kurzem einen neuen "Polier". Mit März hat Martin Hajart (VP) das Amt des Vizebürgermeisters und damit auch die heiklen Verkehrsagenden übernommen. Braucht es dafür angesichts der Problemfelder nicht eine gehörige Portion Masochismus? "In der Vergangenheit ist die Funktion des Verkehrsreferenten nie die beliebteste Funktion gewesen. Für mich ist es die Spannendste von allen Funktionen. Und auch die wichtigste Funktion", sagt er: "Ich bin überzeugter denn je, dass man die Verkehrspolitik anders machen muss und kann, als es Jahrzehnte passiert ist."

Platzfrage

Hajart will aber nicht nur an den kleinen Schrauben drehen, sondern gleich eine "Mobilitätswende" für Linz. Ziel müsse es sein, den Platz in der Innenstadt neu aufzuteilen. Hajart: "Man muss entscheiden, wie viel Platz man wem zur Verfügung stellt. Und da schlägt mein Pendel deutlich mehr in Richtung Radfahrer und Fußgänger."

Und der neue Stadtvize drückt beim Einbremsen des Autoverkehrs auf das Gas. Eigentlich sollten die Fahrzeuge aus der Innenstadt erst 2024 mit der Freigabe der Westringbrücke weitgehend verbannt werden. Doch Hajart will bereits jetzt erste Schritte in Richtung Autofreiheit setzen.

Konkret sollen die Klosterstraße und der Hauptplatz Begegnungszonen werden. Statt wie bisher 30 Stundenkilometern werden die Fahrzeuge auf maximal 20 Stundenkilometer eingebremst. "Damit steigt die Aufenthaltsqualität. Und damit die Frequenz der Fußgänger. Letztlich wird so auch der Konsum gesteigert", ist Hajart im STANDARD-Gespräch überzeugt. Mit 2024 soll dann final der Autoschlüssel abgezogen werden und nur mehr Anlieferungen und Taxifahrten möglich sein. Hajart: "Ich will den Hauptplatz vom Durchzugsverkehr befreien. Konkrete Überlegungen laufen auch dahingehend, dass man ab 2024 die Hauptstraße in Urfahr in eine Begegnungszone umwandelt. Und die Nibelungenbrücke für den Rad- und Fußgängerverkehr attraktiviert."

Diesbezüglich habe es bereits einen "politischen Austausch" mit dem zuständigen Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FP) gegeben. "Und da gibt es auch einen Konsens zwischen Stadt und Land, dass der motorisierte Individualverkehr deutlich zurückgedrängt wird." Die verhärteten Fronten will der Linzer Vizestadtchef mit Gesprächen spürbar aufweichen: "Durchs Reden kommen d' Leut zusammen." Er mache letztlich eine "moderne Form der Wirtschaftspolitik". Hajart: "Die Wirtschaftstreibenden am Hauptplatz haben nichts von einem reinen Durchzugsverkehr. Von einer gesteigerten Aufenthaltsqualität aber sehr wohl."

Drahtesel-Offensive

Auch im Pendlerbereich will der städtische Mobilitätsreferent künftig vermehrt auf nur zwei Räder setzen. Mit Blick in Richtung Salzburg schwebt Hajart ein ähnlicher Ausbau des städtischen Radwegenetzes vor: "Linz braucht eine Radverkehrsstrategie. Salzburg ist da ein gutes Beispiel. Dort legt man ein besonderes Augenmerk auf die Radpendlerinnen und den Ausbau von Radrouten von den Umlandgemeinden in die Stadt." Als Beispiel führt Hajart die Radroute in Wals-Siezenheim an, wo Salzburg Berufspendler zum Aufsteigen aufs Rad bewegen möchte. Eine solche Verknüpfung des städtischen Radwegenetzes mit dem überregionalen Netz hat auch für Hajart Priorität: "Auch in Linz muss vor allem der Anteil an Radpendler*innen gestärkt werden."

Aktuell hat Linz etwa 150 Kilometer Radwege und einen Radverkehrsanteil von 7,5 Prozent (letzte Erhebung 2012). Im Vergleich liegt der Anteil in Salzburg bei 20 Prozent (letzte Erhebung 2012) bei einem Radwegenetz von etwa 190 Kilometern. Und Salzburg investiert jährlich zwei Millionen Euro in die Radwege, Linz hingegen etwa heuer nur 550.000 Euro. (Markus Rohrhofer, 31.5.2022)