"Utoperas", wo das digitale System auch hinterfragt wird.


Foto: Katharina Schiffl

Wien – Als Jewegeni Samjatin seinen Roman Wir veröffentlichte, war die Welt noch analog; übersetzen lässt sich der Sci-Fi-Klassiker aus dem Jahr 1920 aber auch ins digitale Hier und Jetzt. Er spielt in einem dystopischen Überwachungsstaat, wo sich das Individuum dem Kollektiv unterzuordnen hat. Von der Geschichte inspiriert, haben 40 Schülerinnen und Schüler, die vom Verein Superar musikalisch gefördert werden, gemeinsam der Wiener Staatsoper die Jugendoper Utoperas entwickelt. Und: Bespielt wurde das ehemalige Semperdepot, das mit seinen schwindelerregenden Stockwerken und Galerien wie geschaffen ist für die Atmosphäre des Stücks.

Im Mittelpunkt stehen Gabriel und Vanessa, die sich ineinander verliebt haben und nun in einer Krise stecken. Alles dreht sich um den Gruppenchat, und Zweisamkeit ist nur kurz, zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt. Das Sagen hat Admin Sara, die die Gruppe jeden Tag um Punkt acht einpeitscht: "Kommt alle online jetzt!" Doch Vanessa und Gabriel, deren erwachsene Alter Egos von Anna Nekhames (Sopran) und Angelo Pollack (Tenor) dargestellt werden, beginnen das Online-System, in dem sie leben, zu hinterfragen:

Ihr Leben und ihre Sorgen

Sie kämpfen mit Gruppenzwang und Identitätsverlust, Selbstbestimmung und Angst vor dem Alleinsein. All das wird vom Ensemble mit einer solchen Intensität gespielt, gesprochen und gesungen, dass es quasi für "Dauergänsehaut" sorgt. Auch weil die jungen Darsteller ungefiltert und ungekünstelt ihr Leben und ihre Sorgen teilen (Regie: Krysztina Winkel).

Auf einem großen weißen Leintuch werden die Chats im Sekundentakt projiziert – etwa: "Heute machen wir Deutsch, Kinder", "Bruder, was labert ihr zwei", "Cringe" – der Chor singt von den Galerien mit voller Kraft "Mehr online, weniger allein". Und die Musiknummern mit Tuba, Trompete, Piccolo, Schlagzeug und Streichern (Dirigent: Andy Icochea Icochea) fetzen ordentlich rein. Zum Schluss regnet es Konfetti. Vanessa hat die Gruppe verlassen.
(Miriam Damev, 31.5.2022)