
Los Bitchos: vom Namen her gar verrucht, musikalisch brav wie höhere Töchter beim Kaffee-und-Kuchen-Termin bei der Erbtante.
Wer nichts zu sagen hat, soll die Go... – soll schweigen. Diese gerade in Zeiten der asozialen Netzwerke leider in Vergessenheit geratene Erkenntnis könnte man wahrscheinlich erfolgreich plakatieren, allein dann würde wieder darüber geredet und getwittert werden – ein Teufelskreis. In der Kunst gilt dasselbe.
Jeder, der eine Gitarre halten kann, jede, die "Pieps!" in ein Mikro sagen kann, alle wollen sie Stars werden. Zumindest am privaten Tic-Tac-Toe-Kanal, auf dem die dergestalt genötigte Blase sich mit einem Like das Maximum an galligem Zuspruch aus der Verachtung sägt. Damit nähert sich dieser Text langsam seinem Sujet.
Es soll um die Band Los Bitchos gehen. Diese spielt am heutigen Dienstag im Wiener Fluc. "Los was?", fragt an dieser Stelle der von langen Stunden vor dem Spiegel sensibilisierte, politisch korrekt aufgewokte Cancel-Kültür-Jünger im Sommerkleid seiner Wahl: "Los was?" Dieses unaussprechliche B-Wort diskriminiert doch sicher albanische Mütterinnen und Schwestern!
Es darf entwarnt werden – die banale Reizkreation entspringt dem Spanischen, gewählt haben sie vier britische Girls, namentlich Serra Petale, Agustina Ruiz, Josefine Jonsson und Nic Crawshaw.
Ihr Debütalbum trägt den festlichen Titel Let The Festivities Begin! und findet in der rein instrumentalen Kunst ihr Auslangen. Dass die Stücke dennoch Titel tragen, ist der Tradition geschuldet sowie dem Umstand, dass man mit der Nummernfolge eins bis elf bei Spotify nicht so leicht gefunden wird. Was gesagt werden soll, sagt die Musik.
Warnschuss in den Rücken
Doch Los Bitchos sind falsche Fuffziger. Denn sie vergreifen sich musikalisch an lateinamerikanischer Musik, wie sie in den 1960ern als exotische Hintergrundbeschallung für Touristen gebaut wurde: Easy Listening ohne das gewisse Extra.
Im Falle der Bitchos ist es die Cumbia, die sich als strapazfähige Basis erweist. Diese in Südamerika populäre Musik kreuzen Los Bitchos mit Surf-Gitarren und Agentenfilmmusik aus den Sixties, als in Film und Fernsehen noch geraucht wurde und erst nach einem Warnschuss in den Rücken der Diskurs als eröffnet galt. Dazu eine Brise rezeptfreie Psychedelic, fertig.
Der auf diese Weise angerichteten Musik der Bitchos wird eine cineastische Qualität nachgesagt, sie soll die Party rocken, wenngleich Zuordnungen zu Werken von Quentin Tarantino dann doch zu hoch gegriffen wirken. Bei aller Sympathie: Die Musik der vier ist doch recht glattgebügelt, besitzt nichts Verwegenes, keine Laszivität, nichts Abgründiges. Wer nach dem ersten Lied schon zu wissen glaubt, wie das letzte klingen wird, hat ziemlich sicher recht.
Let The Festivities Begin! passt zu den keimfreien Zeiten, die uns das Virus beschert hat, möglicherweise sind Los Bitchos also so etwas wie die Band der Stunde, nur dass das dieses Mal nicht zwingend als Auszeichnung zu verstehen ist. Andererseits: Vielleicht geht ja live die Post ab, und die Band kann es bloß auf Platte nicht so zeigen. (Karl Fluch, 30.5.2022)