Der 25-jährige gebürtige Berliner Fritz Hassler hat in London und Kopenhagen Erfahrung in der Modeindustrie gesammelt. Nach der Uni will er für eine Marke arbeiten, gerne wieder an der Themse.
Eric Asamoah

"Ich mag diesen meditativen Prozess, eine Jeans auseinanderzunehmen, die Teile zu waschen, zu bügeln und zu katalogisieren." Sieben Kleidungsstücke aus Denim hat Fritz Hassler für die Jeans verarbeitet, die Eric Asamoah für das RONDO fotografiert hat.

Das Patchwork gehört zu seinen bevorzugten Techniken: Er gebe Kleidungsstücken gern ein neues Leben, ganz einfach. Rund 80 Prozent seiner Diplomkollektion bestehen aus Deadstock-Stoffen und gebrauchter Kleidung. Viele Worte über das Thema Nachhaltigkeit zu verlieren ist Hasslers Sache trotzdem nicht.

Eric Asamoah hat die Diplomkollektion unseres diesjährigen RONDO-Modepreisträgers Fritz Hassler fotografiert.
Eric Asamoah

Der gebürtige Berliner sitzt im Café Prückel, neben sich ein Glas Soda Zitron und eine Tasse Mokka. Der Besuch des Hyperreality-Festivals am Vorabend steckt ihm noch in den Knochen. Doch seit heute Früh dreht sich wieder alles um die letzten Outfits für die Abschlusskollektion. Er hänge viel am Handy, schreibe E-Mails, organisiere, erzählt der 25-Jährige. Gerade steht das Casting der Models für die Abschlusspräsentation an der Angewandten an.

Vor sechs Jahren hat Fritz Hassler an der Wiener Universität für angewandte Kunst begonnen, Mode zu studieren. Erst unter dem Designer Hussein Chalayan, dann bei Luke und Lucie Meier, sein Abschluss wird nun von der Britin Grace Wales Bonner betreut. In seiner Diplomarbeit "Treacherous Roads" beschäftigt sich der Deutsche mit klassischen Identitäts- und Coming-of-Age-Fragen: Warum habe ich diesen Weg eingeschlagen, und wieso bin ich dieser Mensch geworden?

Voll mit Erinnerungen: Den gesteppten Schlafanzug zieren Katzenmotive aus der Kindheit des Modeabsolventen Fritz Hassler.
Eric Asamoah

Antworten sollen ein Pyjama-Outfit mit kindlichen Katzenmotiven, ein Hausanzug aus bedrucktem Frottee, ein Oversize-T-Shirt, gefertigt aus wachsgebatikten Stoffen, oder eine Camouflage-Patchwork-Hose geben. Seine Männerkollektion ist eine sehr persönliche Sache geworden.

Die Outfits verkörperten verschiedene Charaktere und bildeten Facetten seiner Persönlichkeit ab, erklärt Hassler. Ein großer Teil der Stoffe, die er verarbeitet hat, steht mit seiner Biografie in Verbindung: Sie stammen von Freunden und Familienmitgliedern wie seiner Oma, teilweise auch aus dem eigenen Kleiderschrank: "Ich habe fast keine Klamotten mehr!"

Aber bitte das alles nicht missverstehen, ergänzt er, ein Nostalgiker sei er nicht. Ob er die Looks, die er entworfen hat, auch selbst tragen würde? "Zu auffällig", wehrt der Student, Hemd überm T-Shirt, Nike-Sneaker, ab. Er habe sich nie exzentrisch angezogen, sei nie an "so Ballkleiderzeug" interessiert gewesen.

Ostdeutsche Künstlerfamilie

Moderner Hausanzug: Der Frotteemantel und die dazugehörende Hose wurden mit einem Blumenmuster bedruckt. Die Vorlage stammt von einer Jacke des Absolventen.
Eric Asamoah

Mit seiner Kollektion will Hassler auch etwas über seine Herkunft erzählen. Sein Background: "Ostdeutsche Künstlerfamilie – aber nette Künstler, nicht so Kunstmarkt-Arschlöcher", schiebt der Student hinterher und grinst. Seine Eltern sind beide Restauratoren und wohnen in Berlin, der Großvater war Kunstprofessor in Leipzig, er und seine Frau leben auf dem Land in einem kleinen Dorf nahe der Stadt. Fritz Hassler ist 1996 geboren, er gehört zur sogenannten Generation Z, ist aufgewachsen mit Internet und Smartphone. Er hat nur mehr die Nachwehen der Wende erlebt.

Ein fixer Plan oder Traum sei das Modestudium nie gewesen, meint der Absolvent. Im Gegenteil, er habe sich völlig andere Lebensentwürfe vorstellen können und sich immer wieder Fragen gestellt: "Will ich das Kochen zu meinem Beruf machen, oder ziehe ich nach Marseille, chille und arbeite nebenbei in einem Café?"

Es gab dann doch handfeste Gründe für die Mode. Sie vereint viele Aspekte, die den Deutschen reizen, von Textildesign bis zum Brandbuilding. Überhaupt ist Hassler einer, der Augen und Ohren offen hält und ein Gespür für den Zeitgeist mitbringt, nebenbei jede Menge Nerdwissen anhäuft. Während des Shootings fachsimpelt er über die Berliner Modeblase, das Projekt 032c, den Concept-Store Voo. Und ja, US-amerikanische Popkultur ist sein Ding, je nerdiger, desto besser: Er hört gern den New Yorker Podcast "How Long Gone", mag das Insiderblatt The Drunken Canal, das ebenfalls im Big Apple zu Hause ist.

Eine weitere Sache ist dem Deutschen auch klar: Nach dem Studium wird er Wien wieder verlassen. So recht warm geworden ist er mit der österreichischen Hauptstadt bis heute nicht. Auch andere Gründe sprechen für den Umzug. Er will in einer Metropole wie London oder Paris für eine Marke arbeiten.

Die Modeindustrie fasziniert ihn, nicht erst seit er bei Henrik Vibskov in Kopenhagen und J. W. Anderson in London Branchenerfahrung gesammelt hat. Vielleicht wirkt Hassler deshalb recht abgeklärt. Er arbeitet gern im Team, hält viel von Arbeitsteilung. Nicht die handwerklichen Skills, sondern sein Blick auf die Dinge seien sein Kapital, glaubt er. Diese Stärke erkannt zu haben und an sich zu glauben, das nehme er aus dem Studium mit. Sagt’s und klingt fast ein bisschen wehmütig. (Anne Feldkamp, RONDO, 2.6.2022)

Die in Wachsbatiktechnik gefärbten Stoffe von Hasslers Oma wurden zu einem "Florida-Look" verarbeitet.
Eric Asamoah
Das Shirt wollte Model Joshua Agha gar nicht mehr ausziehen.
Eric Asamoah
Rund 80 Prozent von Fritz Hasslers Kollektion bestehen aus Deadstock-Stoffen und weiterverarbeiteter gebrauchter Kleidung – und einer Decke.
Eric Asamoah
Die Ärmel des Trenchcoats sind offen, darüber trägt Model Joshua Agha einen von zwei fast identen Strickpullovern aus der Kollektion.
Eric Asamoah