Die hochfliegenden Pläne eines grünen, prosperierenden Flughafens Klagenfurt werden zunehmend illusorisch.

Foto: Lilihill Group

Frostiges Klima zwischen SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser und ÖVP- Koalitionspartner Martin Gruber.

Foto: APA/ Eggenberger

Die Kärntner Landesregierung hat am Montag entschieden, die Call-Option zum Rückkauf des Flughafens Klagenfurt vorerst nicht zu ziehen. Der für Beteiligungen zuständige Landesrat Martin Gruber (ÖVP) hatte einen Antrag eingebracht, die vertraglich vereinbarte Call-Option zu ziehen und die vor vier Jahren an die Lilihill-Gruppe abgegebenen 74,9 Prozent zurückzukaufen.

Wie Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach der Sitzung sagte, sei der Beschluss "nicht einstimmig" erfolgt, die SPÖ überstimmte demnach ihren Koalitionspartner ÖVP. Die Diskussion dürfte damit aber noch lange nicht zu Ende sein: Gruber glaubt weiterhin nicht "an eine funktionierende Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Partner".

Dass die Entscheidung zu Querelen in der Koalition führen wird, stellten aber beide Politiker in Abrede: Man habe eine gute Zusammenarbeit und stehe vor weiteren Herausforderungen, meinte Gruber. Und Kaiser sagte: "Wir sind in mehr Fragen gemeinsam denn getrennt. Wir haben nur die letzte Schlussfolgerung unterschiedlich gezogen." Kaiser warnte zum wiederholten Mal vor dem hohen Risiko eines jahrelangen Rechtsstreits, sollte die Call-Option auf Basis der Zahlen des – Corona-bedingt schlechteren – Jahres 2021 gezogen werden.

Megaprojekt

Im Mittelpunkt der Diskussionen steht das Megaprojekt Aviation City eines Geschäfts- und Forschungszentrums samt Großkaserne und Drohnenzentrum am Flughafen Klagenfurt. "Da geht nix mehr, der Karren steckt fest", formulierte es ein Insider vor der Sitzung, der in die brisante Causa rund um das Zukunftsprojekt des Flughafens Klagenfurt involviert ist, aber wegen der aufgeheizten Stimmung anonym bleiben wollte.

Für Kärnten stand vor der Sitzung tatsächlich viel auf dem Spiel. Entweder funktioniert die vor Jahren paktierte Privatisierung des Flughafens mit dem ambitionierten Projekt einer multifunktionalen Aviation City samt Innovationspark, Hotel, Wasserstoffproduktion und Drohnenzentrum, wie es der Mehrheitseigentümer und Immobilienentwickler Franz Peter Orasch plant – ihm gehört die Lilihill-Gruppe. Oder das Land holt sich – wie es der kleine Regierungspartner ÖVP verlangt hat – den Flughafen per "Reverstaatlichung" zurück und versucht selbst, ihm wieder Leben einzuhauchen.

Heikle Vertragsklausel

Diese wirtschaftspolitisch für Kärnten hochbrisante Causa, die jetzt wie ein Keil in die SPÖ-ÖVP-Koalition fährt, dient jedenfalls vorerst einem Zweck: Sie eignet sich als Wahlkampfthema für die Landtagswahl im Frühjahr 2023. Zumindest für die ÖVP, die als Juniorpartner der SPÖ endlich ein Thema gefunden hat, um sich aus der Umklammerung von Landeshauptmann Kaiser zu lösen.

Die ÖVP muss dafür allerdings eine beachtliche ideologische Dehnungsübung hinlegen, sie will den Flughafen über eine Call-Option wieder "verstaatlichen". Der politisch zuständige Landesrat Gruber beruft sich auf die Vertragsklausel mit Orasch, wonach das Land den Flughafen zurückkaufen kann, wenn die Passagierzahlen pro Jahr unter 100.000 sinken – was zuletzt, auch aufgrund der Pandemie, der Fall war.

Gruber präsentierte kürzlich seinen "Plan B" für den Airport. Der Fokus – sollte die Call-Option gezogen werden– liegt für ihn auf "Netzwerk- und Hubverbindungen" und einer "hybriden Strategie, die die Bedürfnisse von Industrie und Wirtschaft berücksichtigen als auch touristische Potenziale erschließen soll". Zielpunkte seien dabei Hubs wie Zürich, Frankfurt oder München. Als weiterer Schritt wären Charterflüge nach Deutschland, Frankreich, Griechenland, Ägypten und in die Türkei geplant.

Kärnten steckt in der Zwickmühle

Diese Überschriften, so ätzt man in der SPÖ, kämen einem "Wunschkonzert an das Christkind" gleich. Das alles sei doch schon in den letzten Jahren erfolglos versucht worden. Kärnten liege nun einmal in unmittelbarer Konkurrenz zu größeren Flughäfen wie Ljubljana oder Graz. Der 75-Prozent-Flughafeneigentümer Orasch solle mit seiner Lilihill Group vielmehr die nochmalige Chance erhalten, seine weiterreichenden Airportpläne endlich umzusetzen. Dementsprechend lehnte die SPÖ auch den Call-Option-Antrag Grubers in der aktuellen Regierungssitzung ab.

Das Land, das noch zu einem Fünftel am Flughafen beteiligt ist – fünf Prozent gehören der Stadt Klagenfurt –, ist auf alle Fälle nun in eine Zwickmühle geraten. Zieht Kärnten tatsächlich die Call-Option in absehbarer Zeit und kauft den Flughafen günstig zurück, muss es damit rechnen, dass Orasch klagt – und das nicht gering. Gruber will sich nicht, wie er sagt, "enteignen" lassen und stellt die Rute ins Fenster: Die bei ihm ressortierende K-BV (Kärntner Beteiligungsverwaltung), die die Landesanteile in der Flughafengesellschaft verwaltet, nehme "durch ein unrechtmäßiges Ziehen der Call-Option Schadenersatzansprüche von bis zu 100 Millionen Euro bewusst in Kauf". Die Pandemie sei im fraglichen Jahr 2021 als höhere Gewalt einzustufen, womit die Grundlage für das Ziehen der Call-Option falle, argumentierte Orasch.

Probleme über Probleme

Zieht das Land aber die Option nicht, steht der Bauriese Strabag als ehemaliger Flughafeninteressent vor der Tür. Denn sobald sich die Rahmenbedingungen ändern – etwa wenn die Call-Option bei unter 100.000 Passagieren nicht gezogen wird –, werde man dies rechtlich bewerten, heißt es.

Und schließlich: Wenn das Land den Flughafen tatsächlich zurückkauft, wären den Politikern – nach Ansicht der SPÖ – ohnehin die Hände gebunden. Laut beihilfenrechtlichen EU-Regelungen für Regionalflughäfen seien Subventionen der öffentlichen Hand maximal bis 2024 erlaubt. Dies sei auch mit ein Grund gewesen, warum man für den Flughafen in Klagenfurt einen privaten Teilhaber an Bord geholt habe, heißt es aus Kaisers Büro.

In der verworrenen Causa geht es im Kern auch um angrenzende Grundstücke, die für den Flugbetrieb nicht gebraucht werden und mehrheitlich der K-BV gehören. Orasch benötigt sie für das Gesamtkonzept seiner Aviation City und will sie kaufen. Die K-BV stellt sich taub. K-BV-Vorstand Martin Payer und Orasch seien sich "spinnefeind", heißt es. Die Flächen am Flughafen müssten vordringlich im Eigentum der K-BV gehalten werden und nur per Pacht und Baurechten weitergegeben werden, gibt anderseits Gruber die Parteilinie vor.

"Megakaserne" geplant

Die Grundstücke rund um den Airport spielen noch eine weitere Rolle: Das Verteidigungsministerium plant am Flughafengelände eine "Megakaserne" samt Hubschrauberstützpunkt und Drohnenzentrum. Durch die Pattstellung steht auch dieses Projekt. "Das Verteidigungsministerium ist laufend im Austausch mit dem Land Kärnten hinsichtlich künftiger Planungen und Optionen den Raum Klagenfurt betreffend", heißt es aus dem Ministerium zurückhaltend.

In puncto Grundstücke kommt noch ein weiteres Problem auf die Landesregierung zu. Unternehmen, die sich ebenfalls um Flächen rund um den Airport bemühen, werden für eine eventuelle Abgabe der Grundstücke eine internationale Ausschreibung verlangen.

Call-Option weiter möglich

Wie Kärnten aus all diesen Baustellen am Airport herauskommen kann, ist völlig unklar. Zumal es mittlerweile auch in der SPÖ Stimmen gibt, die für einen Rückkauf plädieren, um, wie es heißt, "wieder ganz von vorne" beginnen zu können. Für Landeshauptmann Kaiser geht es mittelfristig wohl in erster Linie darum, das Thema Flughafen irgendwie über die Landtagswahl hinaus zu vertagen.

Wie Kaiser und Gruber Montagabend betonten, bleibt die Möglichkeit, die Call-Option zu ziehen, jedenfalls bestehen. Man werde nun "mit Argusaugen" darüber wachen, dass der Mehrheitseigentümer seinen Investitionsplan erfüllt. Auf die Frage, ob die Call-Option gezogen wird, wenn die Passagierzahlen auch 2022 unter 100.000 liegen, sagte Gruber, dann werde er wieder einen entsprechenden Akt einbringen.

Kaiser wollte sich nicht festlegen, ob es dann Zustimmung der SPÖ gibt: "Wenn es 99.000 Passagiere sind, aber es tausende Vorausbuchungen gibt, wird es anders zu bewerten sein. Es kommt auch auf die Stimmung an." (Walter Müller, red, APA, 30.5.2022)