Ermittler haben 3,5 Millionen Bilder und 1,5 Millionen Videos sichergestellt. Die Taten sollen bis in das Jahr 2005 zurückreichen.

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Köln – Die deutsche Polizei hat einen Kindesmissbrauchskomplex mit bisher 33 Opfern aufgedeckt. Hauptbeschuldigter ist ein 44-Jähriger aus der nordrhein-westfälischen Stadt Wermelskirchen, der sich offenbar als Babysitter anbot und sich so seinen Opfern nähern konnte, berichteten die Ermittler am Montag. Mit dutzenden weiteren Männern habe er zudem kinderpornografische Bilder und Videos "unvorstellbarer Brutalität" getauscht. Ein Verfahren wurde nach Österreich abgegeben.

"Ich bin erschüttert und fassungslos. Ein solches Ausmaß an menschenverachtender Brutalität und gefühlloser Gleichgültigkeit gegenüber kleinen Kindern, ihren Schmerzen und ihren Schreien ist mir noch nicht begegnet", sagte Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel. Bisher seien 73 Verdächtige und 33 Opfer identifiziert worden, berichteten die Ermittler. Das jüngste Kind sei einen Monat alt gewesen. Unter den Opfern seien fünf Säuglinge und auch Kinder mit Behinderung. Es seien gewaltige Datenmengen – ein Volumen von 32 Terabyte – mit 3,5 Millionen Bildern und 1,5 Millionen Videos sichergestellt worden.

Brutalste Gewaltfantasien

Die Gewaltfantasien, die dabei verwirklicht worden seien, hätten auch erfahrene Ermittler in dem Bereich entsetzt. Gefunden wurden "brutalste Vergewaltigungen von Babys und Kleinkindern". Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder in einigen Fällen dafür betäubt worden seien. Es sei möglich, dass sich die Zahl der Missbrauchsopfer weiter erhöhe. Bisher seien erst zehn Prozent der Datenmenge ausgewertet. "Bitte, ersparen Sie mir Schilderungen dessen, was ich gesehen habe", sagte Oberstaatsanwalt Joachim Roth. "Das, was ich gesehen habe, hat mich bis ins Mark erschüttert."

Die Eltern der Kinder hätten in keinem Fall Verdacht geschöpft, berichteten die Ermittler. Auch einige Opfer seien völlig überrascht gewesen von der Nachricht der Polizei, dass sie vor Jahren im Kleinkindalter Opfer schwersten Missbrauchs geworden seien. Ihnen sei Hilfe angeboten worden. Der nicht vorbestrafte Babysitter soll im Großraum Köln selbst zwölf Kinder – zehn Buben und zwei Mädchen – missbraucht haben. Die Taten reichen bis in das Jahr 2005 zurück.

Sicherung der Datenmenge dauerte 17 Tage

Um Zugriff auf die unverschlüsselten Daten des Mannes zu bekommen, hätten Spezialkräfte ihn im Dezember am eingeschalteten Rechner während einer Videokonferenz mit Arbeitskollegen überwältigt. Diese hätten ihrerseits den Notruf 110 gewählt, weil sie glaubten, Zeugen eines Überfalls zu werden. Die Sicherung der gesamten Datenmenge von 232 Datenträgern habe dann 17 Tage gedauert.

Eine besondere "Aufbauorganisation" namens "Liste" sichtet nun die gewaltigen Datenmengen. Der Name ist dem Umstand geschuldet, dass der Verdächtige sein Kinderpornografiearchiv in Listen unterteilt habe – wohl um nicht den Überblick zu verlieren. Er habe die Taten weitgehend eingeräumt.

Weitere Verdächtige aus nahem Umfeld der Opfer

Derzeit werde geprüft, ob der Mann in Sicherungsverwahrung genommen werden könne. Ein psychiatrisches Gutachten wurde ebenfalls in Auftrag gegeben. Bei den übrigen Verdächtigen handelt es sich demnach um Väter, Nachbarn, Bekannte, Brüder oder Großväter der Opfer.

Der Schwerpunkt liegt mit 26 Verfahren in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von den Bundesländern Thüringen (6), Brandenburg (5), Schleswig-Holstein (5) und Niedersachsen (5). Mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland sind alle anderen deutschen Bundesländer ebenfalls betroffen. Ein Verfahren wurde nach Österreich abgegeben.

Die meisten Verdächtigen sind zwischen 26 und 45 Jahre alt. Auf die Spur des Wermelskircheners kamen die Ermittler im November durch Ermittlungen gegen einen seiner Chatpartner in Berlin. Bis zum Zugriff mit einem Haftbefehl seien seine Telefone abgehört worden. (APA, 31.5.2022)