Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat ein komplettes Ölembargo verhindert.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel zeigten sich nach dem Durchbruch erleichtert.

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Am 23. Februar, also bereits einen Tag vor der Invasion in der Ukraine, hat die EU ein erstes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Grund dafür war die vorangegangene Anerkennung der beiden Separatistengebiete in der Ostukraine ("Volksrepublik Donezk" und "Volksrepublik Luhansk") durch Moskau. Nun, mehr als drei Monate später, hat sich die Union auf das mittlerweile sechste Sanktionspaket verständigt. Darin enthalten ist der harte Brocken namens Ölembargo, um den wochenlang gerungen wurde.

Vor allem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der Russlands Präsident Wladimir Putin durchaus nahesteht, hatte sich immer wieder gegen ein Ölembargo gewehrt – aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in der EU auch mit Erfolg. Doch beim Sondergipfel in Brüssel konnte am Montagabend ein Kompromiss erzielt werden.

"Wie eine Atombombe"

Dieser lautet folgendermaßen: 75 Prozent aller Importe von russischem Erdöl in die EU werden gekappt. "Wir haben eine Vereinbarung getroffen, die besagt, dass Länder, die Öl durch Pipelines erhalten, ihre Volkswirtschaften unter den bisherigen Bedingungen weiterbetreiben können", betonte Orbán in einer Videobotschaft auf Facebook. Ein vollständiges Importverbot für russisches Öl wäre für Ungarn "untragbar" und "wie eine Atombombe" gewesen", sagte er. Das Land deckt rund zwei Drittel seines Ölbedarfs über die russische Druschba-Pipeline.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel zeigten sich nach dem Durchbruch erleichtert. "Wir haben einige Wochen gebraucht, um diese Entscheidung zu erzielen, und es gab schon Spekulationen, dass es uns an Einigkeit mangelt", räumte Michel ein. "Wir brauchen politische Führungsstärke in diesen außerordentlichen Zeiten." Vor allem Ungarn hatte das Ölembargo wochenlang blockiert und Zugeständnisse gefordert.

"Maximaler Druck" auf Russland

Mit dem Embargobeschluss verliere Russland eine "riesige Finanzquelle für seine Kriegsmaschinerie", betonte Michel. Tatsächlich geben die EU-Staaten nach Expertenberechnungen jeden Tag hunderte Millionen Euro für russisches Öl aus. Man übe "maximalen Druck" auf das Land aus, "den Krieg zu beenden".

Die politische Einigung solle bereits am Donnerstag von den EU-Botschaftern in Rechtsform gegossen werden, erklärte Michel. Er verteidigte zugleich die Ausnahme für Pipeline-Öl. Es gehe nämlich darum, auch die Interessen von Binnenstaaten wie Ungarn zu schützen.

Von der Leyen sagte, dass der Embargobeschluss die russischen Ölimporte bis Jahresende um 90 Prozent reduzieren werde. Sie verwies darauf, dass Deutschland und Polen freiwillig auf Pipeline-Öl verzichten wollen. Damit blieben nur noch Importe im Umfang von zehn bis elf Prozent, die über die Druschba-Pipeline nach Ungarn liefen. Österreich hat sich eigenen Angaben zufolge schon im März gänzlich von russischen Ölimporten verabschiedet.

Sanktionen auch gegen Patriarch Kirill

Weitere Teile des sechsten Sanktionspakets sind: Die staatliche Sberbank wird aus dem internationalen Bankenkommunikationssystem Swift geworfen. Die Arbeit von drei weiteren russischen Staatssendern wird unterbunden. Weitere Kreml-nahe Einzelpersonen kommen auf die Sanktionsliste, darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, und die ehemalige Turnerin Alina Kabajewa, der enge Verbindungen zu Präsident Putin nachgesagt werden. (ksh, APA, 31.5.2022)