Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner hat derzeit nicht viel zu lachen. Vor wenigen Tagen wurde er während eines Auftritts bei einem Fußballspiel ausgepfiffen, am Mittwoch soll er beim ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss zur Wirtschaftsbund-Causa aussagen. Am Montag dürfte ihn die WKStA befragt haben, gegen ihn wird wegen Vorteilsannahme ermittelt.

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Es dürften zwei mühsame Befragungstage im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss werden, da viele Geschäftsordnungsdebatten zu erwarten sind. Ein Grund dafür ist der Wunsch der Chefin des Finanzamts für Großbetriebsprüfungen, dass die beiden Finanzprüfer nichtmedienöffentlich zu befragen werden, da sonst die Ergebnisse der noch laufenden Betriebsprüfung gefährdet werden könnten.

Hanger will keine Länderthemen

Da ist aber auch die Kritik an den Wirtschaftsbund-Tagen im U-Ausschuss von der ÖVP ganz allgemein. Man untersuche die Vollziehung des Bundes und nicht Aufgaben der Länder, meinte etwa Andreas Hanger (ÖVP). "Vor allem untersuchen wir nicht die Finanzierung von Parteien, wie es in der Causa Vorarlberg auch Thema ist." Befragt werden soll am Mittwoch neben einem Finanzprüfer bekanntlich Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), am Donnerstag dann ein weiterer Prüfer, Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und der Finanzreferent des Vorarlberger Wirtschaftsbunds, Jürgen Rauch. Jürgen Kessler, der als Direktor ab 2018 den Wirtschaftsbund führte und unter dessen Ägide die Inseratenerlöse der Mitgliederzeitung durch die Decke gingen, kommt nicht – er ließ sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen.

Wann Landesthemen Bundessache sein können

Die Opposition, aber auch die Grünen lassen die ÖVP-Argumentation nicht gelten. Erstens habe das ÖVP-geführte Finanzministerium bereits Akten geliefert und damit den Untersuchungsgegenstand anerkannt, sagt Nina Tomaselli (Grüne). Und zweitens gehe es in zentralen Fragen der Affäre um die sogenannte mittelbare Bundesverwaltung. So entscheidet über Betriebsanlagengenehmigungen beispielsweise das Land stellvertretend für den Bund, eben in mittelbarer Bundesverwaltung. In der Causa Wirtschaftsbund geht es auch um die Frage, ob Unternehmen gegen Inserate in dem Heft der ÖVP-Teilorganisation Erleichterungen bei solchen Verfahren erfahren haben. Eine Recherche von STANDARD, "Falter" und Ö1 zeigt jedenfalls, dass die Firmen – darunter der Fruchtsafthersteller Rauch, wo der Wirtschaftsbund-Finanzreferent CEO ist – vor Entscheidungen über Betriebserweiterungen mehr inserierten als davor oder danach.

Warum gegen Wallner ermittelt wird

Bei dieser Frage gibt es auch einen Konnex zu Landeshauptmann Wallner: Gegen ihn ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Vorwürfen der Vorteilsannahme. Ein Manager hatte in den "Vorarlberger Nachrichten" per eidesstattlicher Erklärung angegeben, dass Wallner bei einem Betriebsbesuch selbst um Inserate im Wirtschaftsbund-Blatt geworben und ein Entgegenkommen des Landes bei für den Betrieb wichtigen Entscheidungen in Aussicht gestellt habe. Wallner bestreitet das vehement und spricht von glatten Lügen. Ein Misstrauensvotum gegen ihn blieb ohne Mehrheit.

Dass die WKStA wegen anonymer Vorwürfe – die "VN" geben die Identität des Mannes nicht preis – ermittelt, wollte Wallner zwar explizit nicht kritisieren, merkte das am Rande einer Landtagssitzung aber dennoch an. Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang auch, dass Wallner sein Handy austauschen bzw. löschen lassen wollte – und zwar just als publik wurde, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen prüft. Die Mitarbeiter der IT-Abteilung teilten das dem zuständigen Landesrat, Daniel Zadra von den Grünen, mit. Dieser verständigte die Staatsanwaltschaft über die Vorgänge. Seither herrscht in der schwarz-grünen Koalition im Ländle Eiszeit. Wallner betonte, dass alle notwendigen Daten noch vorhanden seien. Er habe nur private Fotos löschen lassen wollen.

Am Montag dürfte es nun zu einer ersten Einvernahme des Landeshauptmanns in der Causa gekommen sein. Ermittelt wird auch gegen Wirtschaftslandesrat Marco Tittler und seinen Vorgänger Karlheinz Rüdisser (beide ÖVP), der seit Kesslers Rückzug den Wirtschaftsbund interimistisch führt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Auch Tittler und Rüdisser dürften am Montag in Innsbruck befragt worden sein. Die Staatsanwaltschaft bestätigte das nicht – mit dem Hinweis, dass man einzelne Ermittlungsschritte nicht kommentiere.

U-Ausschuss im Ländle noch nicht fix

Während in den kommenden beiden Tagen Teilaspekte der Wirtschaftsbund-Causa im U-Ausschuss untersucht werden, ziert man sich im Ländle noch mit einem U-Ausschuss zum Thema. Bis jetzt gab es parlamentarische Anfragen an Wallner, eine Sondersitzung des Landtags und den gescheiterten Misstrauensantrag. Zuletzt machte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Druck für eine Untersuchung auf Landesebene.

Im Ländle reagieren Neos, FPÖ und SPÖ aber zurückhaltend auf diese Aufforderung. Man wolle die Wirtschaftsbund-Tage im Wiener Ausschuss abwarten, meinte FPÖ-Chef Christof Bitschi. Und die pinke Klubobfrau Sabine Scheffknecht sagte zum ORF Vorarlberg: "Einen Untersuchungsausschuss zu fordern, das mache ich nur, wenn ich weiß, da kommt noch was heraus. Und dementsprechend glaube ich, dass die Grünen mehr wissen. Und ich fordere sie dringend auf, die Tatsachen und die Fakten jetzt auf den Tisch zu legen."

Bei den Grünen selbst sieht man die Opposition am Zug. Offene Fragen gebe es zur Wirtschaftsbund-Causa jedenfalls noch zur Genüge, sagt etwa Zadra. Er gehe davon aus, "wennein Untersuchungsausschuss kommt, da werden wir Grüne aktiv mitarbeiten und aktiv befördern, dass alles aufgeklärt wird".

Welche Fragen noch offen sind

Tatsächlich umfasst die Causa natürlich mehr als jene Aspekte, die der Bund an den beiden Ausschusstagen behandeln kann und wird: Es sind dies auch, aber nicht nur strafrechtlich relevante Vorgänge. Neben den im Wiener Ausschuss im Zentrum stehenden Korruptionsvorwürfen gegen Wallner und etwaigen Vorteilen für inserierende Firmen ist im Land natürlich die von Hanger angesprochene Frage der versteckten Parteienfinanzierung ein großes Thema. Während die ÖVP betont, dass 900.000 Euro vom Wirtschaftsbund auf dem Konto der Landespartei gelandet seien, listen die Finanzprüfer weitere Ausgaben für die Partei auf. So sorgen Unterstützungen für bestimmte Gemeinden derzeit für teils hitzige Gemeinderatssitzungen. Außerdem wurden einzelne Politiker bei Wahlkämpfen vom Wirtschaftsbund unterstützt.

Politischer Einfluss in der Kammer

Darüber hinaus geht es in der Causa um die engen Querverbindungen zur Wirtschaftskammer und dortigen politischen Einfluss durch die ÖVP oder ihre Teilorganisation. So berichtete ein Tischler nicht nur, dass Druck auf Innungen ausgeübt worden sei, im Wirtschaftsbund-Blatt zu inserieren, sondern auch, dass aggressiv nach Mitgliedern gesucht worden sei und diese an entscheidenden Posten platziert worden seien. Außerdem berichten zahlreiche (ehemalige) Mitarbeiter, dass nicht der mittlerweile zurückgetretene Kammerpräsident Hans-Peter Metzler, sondern Kessler, der in der Kammer keinerlei Funktion hatte, alle wichtigen Entscheidungen getroffen habe. Auch dass ein Mitarbeiter der Presseabteilung und seine Frau über mehrere Jahre etwas mehr als 100.000 Euro vom Wirtschaftsbund erhalten haben dürften, weil sie das Magazin gestalteten, tauchte im Rahmen der Betriebsprüfung auf.

Umgang mit Geld im Wirtschaftsbund

Wie im Wirtschaftsbund selbst mit Mitgliedsgeldern und anderen finanziellen Mitteln umgegangen wurde, untersucht derzeit eine externe Kanzlei auf Wunsch des interimistischen Obmanns Rüdisser. Erste Ergebnisse könnten bereits Mitte des Monats vorliegen. Durch die Betriebsprüfung wurde jedenfalls sichtbar, dass die Buchhaltung teils unvollständig war und viele Belege fehlten. Außerdem zeigte die Betriebsprüfung, wie Führungsleute sich am Reichtum der Organisation offenbar selbst bedienten – Beispiele sind das 250.000-Euro-Darlehen an Kessler oder die Überweisung von 24.000 Euro an eine Lebensversicherung durch seinen Vorgänger. Beide ehemaligen Direktoren sicherten sich außerdem saftige Provisionen zu. Kesslers Monatsgehalt soll dadurch teils 30.000 Euro betragen haben. Neue Unterlagen zeigen nun, dass auch der Obmann des Wirtschaftsbunds großzügig entschädigt wurde: Metzler erhielt demnach monatlich 3.000 Euro.

Und auch die Rolle von Russmedia – der Vorarlberger Medienkonzern druckte nicht nur das Wirtschaftsbund-Blatt, sondern hielt mit Kessler auch eine Agentur für Inseratenabwicklung – könnte beleuchtet werden. Ein Mail der Finanz legt nahe, dass es vor der Prüfung bei Kessler bzw. beim Wirtschaftsbund auch eine Prüfung im Medienhaus gab. Der Russmedia-Geschäftsführer gibt gegenüber dem STANDARD an, es habe im letzten halben Jahr keine Betriebsprüfung gegeben. Der Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten sprach selbst die Problematik der Nähe an, man müsse die eigene Rolle aufarbeiten und reflektieren. (Lara Hagen, 31.5.2022)