Das Vertrauen der Eltern am betroffenen Standort sei "zerrüttet", sagte Stadtrat Christoph Wiederkehr. Man habe daher nicht nur die Kindergarten- und die Regionalleitung versetzt, sondern auch das Personal im Kindergarten "um mehrere Personen aufgestockt".

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Die Causa rund um mögliche Missbrauchsfälle in einem städtischen Kindergarten in Wien-Penzing beschäftigt die Stadtpolitik. Am Dienstag fand eine Ausschuss-Sondersitzung des Gemeinderats statt. Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos wollte dort "offene Fragen der Opposition beantworten", wie er dem STANDARD sagte. Wie berichtet ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits seit mehr als einem Jahr gegen einen Pädagogen, mittlerweile werden vier Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch geprüft. Die Eltern am betroffenen Standort wurden aber erst vor kurzem von den Verdachtsfällen in Kenntnis gesetzt.

Das Vertrauen der Eltern am betroffenen Standort sei "zerrüttet", sagte Wiederkehr. Man habe daher nicht nur die Kindergarten- und die Regionalleitung versetzt, sondern auch das Personal im Kindergarten "um mehrere Personen aufgestockt". Dazu komme zur Aufarbeitung externe Unterstützung etwa des Kinderschutzzentrums.

Neues Kinderschutzkonzept ab Herbst in Kindergärten

Im Zuge der Ausschuss-Sondersitzung sprach Wiederkehr von einem "gemeinsamen Auftrag", wie man den Kinderschutz in Wien weiter verbessern könne. Es gebe keine Toleranz bei Gewalt an Kindern. Um die Causa aufzuarbeiten und Fehler aufzuzeigen, wurde eine Untersuchungskommission eingerichtet. Darin vertreten sind die Kinder- und Jugendanwaltschaft, der Verein Möwe sowie die MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) als Aufsichtsbehörde. Wiederkehr selbst bezeichnete es bereits als Fehler, dass Eltern am Standort viel zu spät von dem Verdachtsfall erfahren hatten. Wiederkehr selbst wurde ebenfalls erst Mitte Mai davon informiert. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Laut Wiederkehr wird es in Wien ab Herbst 2022 ein neues Kinderschutzkonzept geben, das "auf alle Kindergartenstandorte ausgerollt wird". Aktuell werde daran gearbeitet, auch der Bericht der Untersuchungskommission mit zu erwartenden Empfehlungen werde eingearbeitet. Dieser soll Anfang Juli vorliegen. Zurückgegriffen werde auch auf externe Expertise etwa des Kinderschutzvereins Möwe.

Es ist aktuell nicht die einzige Untersuchungskommission, die wegen Verdachtsfällen zu sexuellem Missbrauch an Kindern in Wien tätig ist. Ein Pädagoge in einer Mittelschule soll zumindest 25 Schüler über Jahre sexuell missbraucht und kinderpornografisches Material angefertigt haben. Er beging im Frühjahr 2019 Suizid, die Schule informierte die Eltern an der Schule spät. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft spricht von Systemversagen – DER STANDARD berichtete.

FPÖ für Misstrauensantrag gegen Wiederkehr

Die Oppositionsparteien reagierten unterschiedlich auf die Ergebnisse der Ausschuss-Sondersitzung. Die Wiener FPÖ sprach von einer "Untätigkeit" Wiederkehrs, die eine "Verhöhnung der Opfer" sei. Der blaue Klubchef Maximilian Krauss meinte, dass ein Misstrauensantrag gegen Wiederkehr unumgänglich sei – für diesen erwarte sich die FPÖ "die Unterstützung der ÖVP". Krauss forderte zudem die sofortige Suspendierung der Leiterin der MA 10 (Kindergärten), Daniela Cochlar.

ÖVP fordert eigene Ombudsstelle

Wiederkehr müsse nun konkrete Taten setzen, meinten ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch und Bildungssprecher Harald Zierfuß. Eltern müssten sich darauf verlassen können, im Fall eines Missbrauchsverdachts unverzüglich informiert zu werden. "Dass Eltern 13 Monate lang nicht informiert wurden, ist untragbar", sagte Zierfuß, der umfassende Transparenz einforderte. Eine Standardisierung der Elterninformation sei unumgänglich. Zierfuß forderte zudem eine eigene Ombudsstelle, "die für den jeweiligen Träger frei wählbar und von der Stadt zu finanzieren ist".

Grüne verlangen Entschuldigung seitens der Stadt Wien

Die Grünen kritisierten, dass noch immer nicht alle Eltern ausreichend informiert worden seien, wie Betroffene meldeten. "Die Eltern warten noch auf die versprochene niederschwellige Unterstützung, psychologische Begleitung und Mediation mit den Pädagog:innen", hieß es in einer Aussendung von Bildungssprecherin Julia Malle und Bildungssprecher Felix Stadler.

Zudem sei "eine Entschuldigung bei den betroffenen Eltern für die massiven Fehler und das Kommunikationsversagen seitens der Stadt Wien dringend notwendig". (David Krutzler, 31.5.2022)