G.ST Antivirals, eine Ausgründung der Med-Uni Wien, könnte bereits 2025 einen ersten Wirkstoff gegen lästige Rhinoviren-Infektionen auf den Markt bringen.

Foto: Kidizin Sane / Christoph Hofbauer

Virenerkrankungen sind nicht einfach zu behandeln – die vergangenen Jahre der Corona-Pandemie haben das eindrucksvoll bestätigt. Mittels Antibiotika kann man in die Zellstrukturen bakterieller Erreger eingreifen, um sie zu bekämpfen. Viren bieten im Vergleich viel weniger Angriffsfläche.

Sie bestehen nicht aus vollwertigen Zellen, sondern verfügen lediglich über Werkzeuge, die sie befähigen, ihr Erbgut in andere Zellen einzuschleusen, um sich so zu vermehren. Viren verfügen deshalb auch nicht über einen eigenen Stoffwechsel, in den man eingreifen könnte. Bestehende antivirale Therapeutika blockieren beispielsweise Rezeptoren an Zellen, um das Andocken von Viren zu unterbinden, oder statten Zellen mit einer Schutzschicht aus, um die parasitären Krankheitserreger abzuwehren.

Im Wiener Start-up G.ST Antivirals versuchen Medizinforschende der Med-Uni Wien noch einen weiteren Ansatz im Kampf gegen die Viren zu nutzen: den Stoffwechsel der Wirtszellen, auf den die Parasiten für ihre Vermehrung angewiesen sind. "Viren bringen mit ihrer hohen Mutationsfrequenz viele Escape-Varianten hervor, bei denen der Wirkstoff nicht mehr greift. Zielt man dagegen auf den Stoffwechsel der Wirtszellen ab, hat man viel weniger Probleme mit Resistenzen dieser Art", erklärt der Mediziner Guido Gualdoni, der gemeinsam mit seinem Kollegen Johannes Stöckl 2019 das Unternehmen gegründet hat.

Atemwegserkrankungen

Als erstes Produkt soll ein Arzneimittel gegen Rhinoviren entwickelt werden, die Auslöser der wohl häufigsten viralen Atemwegserkrankungen sind – Schnupfen, Husten, Bronchitis und damit verbundenen Verschlechterungen von Asthma oder Raucherhusten. Erst vor kurzem startete dazu die erste klinische Studie am Wiener AKH.

Die beiden Wissenschafter bauen auf neuen Erkenntnissen zum Zellmetabolismus bei Virenbefall auf, die aus ihrer eigenen, jahrelangen Forschung zu diesem Thema resultieren. "Wir beschäftigen uns bereits sei elf Jahren mit dem Thema. Bereits während meines Doktorats an der Med-Uni Wien im Jahr 2011 gab es erste Experimente", blickt Geschäftsführer Gualdoni zurück, der bereits als Postdoc mit dem Immunologen und Med-Uni-Professor Stöckl kooperierte.

"Stöckl arbeitete an Rhinoviren, ich am Zellmetabolismus. Es war spannend, die Forschungsansätze zusammenzubringen und zu kombinieren." Der Ausgründung gingen eine Publikation im Journal PNAS und eine Patentanmeldung voraus.

Spezielle Zuckervariante

Das Wirkprinzip der Entwicklung hakt bei der Vermehrung der Viren ein: Dringen sie in die Zellen ein, startet dort schnell die Produktion von Millionen neuer Erreger. "Die Zelle ist nicht darauf ausgelegt. Für sie ist das ein wahnsinniger Stress. Die Viren haben Mechanismen gefunden, um den Stoffwechsel der Wirtszellen zu manipulieren, sodass diese große Energiemengen in Form von Glukose aufnehmen können", schildert Gualdoni. "Diese Glukose wird dann für die Bausteine der neuen Viren verwendet."

Die beiden Wissenschafter haben bei ihren Forschungen einen Weg entdeckt, wie man diese Energieaufnahme maßgeblich unterbinden kann. Konkret wird am Ort der Infektion – also bei Rhinoviren vor allem in den oberen Atemwegen – eine spezielle Zuckervariante mit dem Namen 2-Deoxyglucose zugeführt. Von den Körperzellen wird diese ebenso wie Glukose aufgenommen.

Allerdings: "2-Deoxyglucose hemmt ein im Zuckerabbau wichtiges Enzym und unterbindet so die Weiterverwertung der Glukose", erklärt Gualdoni. "Für die Zelle ist das nicht schlimm, für die Reproduktion der Viren aber sehr. Sie werden praktisch ausgehungert."

Neuer Fördertopf

Unterstützt wird die Ausgründung der Med-Uni Wien unter anderen vom Austria Wirtschaftsservice (AWS), der Wirtschaftsagentur Wien und der Förderagentur FFG. Investitionen kamen unter anderem vom IST Cube, einem vom Institute of Science and Technology (IST) Austria initiierter Venture-Fonds.

Als Zukunftshoffnung des heimischen Pharmastandorts war G.ST Antivirals zuletzt auch Teil der Präsentation eines neuen Life-Science-Förderpakets: Seit April können sich Unternehmen um Mittel aus dem 50 Millionen Euro schweren Förderprogramm Austrian Life Science bewerben, das die FFG mit Mitteln des Wirtschaftsministeriums umsetzt. (Alois Pumhösel, 1.6.2022)