Staatliche Corona-Hilfen wurden gewährt, um Einnahmenausfälle bei Unternehmen teilweise zu kompensieren und durch subventionierte Kurzarbeit größere Arbeitslosigkeit zu verhindern. Welche Einnahmen aus welcher ordentlichen Geschäftstätigkeit hat der oberösterreichische ÖVP-Seniorenbund, damit er ein Recht auf Corona-Unterstützung geltend machen kann? Und: Wie viel Hühner lachen über die Begründung der ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, der ÖVP-Seniorenbund sei gar keine ÖVP-Organisation? Den Neos, die das aufgedeckt haben, ist da was gelungen.

Die ÖVP ist seit Jahrzehnten im Bund an der Macht.
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Die ÖVP ist seit Jahrzehnten im Bund an der Macht (in den Ländern seit dem Beginn aller Zeit), und da fällt es leicht, die eigenen Interessen mit denen der Allgemeinheit zu verwechseln. Seniorenorganisationen leisten wertvolle sozialpsychologische Arbeit, sie sind auch nicht auf Gewinn ausgerichtet, aber sie sind eben Parteiorganisationen.

Selbstverständlich gibt es solche Erscheinungen auch bei anderen Parteien mit langer Regierungstätigkeit, und die FPÖ hat es geschafft, in kurzer Zeit ziemlich viel Machtmissbrauch zustande zu bringen. Aber gerade bei der ÖVP häufen sich die Fälle, sodass man fragen muss, ob hier nicht vielleicht strukturelle Korruption vorliegt.

Handlungsbedarf

Postenschacher. Entgegenkommen bei den Steuererleichterungswünschen eines bekannten Industriellen. Schwachsinnsumfragen mit Steuergeld zur höheren Ehre von Sebastian Kurz ("Inseratenaffäre", "Beinschab-Tool"). Inseratenkeilen für kaum gelesene Wirtschaftsbund-Blätter bei Kleinunternehmern usw. Wie gesagt, bei entsprechend intensiver Suche wird man derlei wohl auch bei anderen lang regierenden Parteien finden. Aber jetzt steht eben die ÖVP im Mittelpunkt des Interesses, und sie hat Handlungsbedarf.

Vereinzelt passiert was. Einige andere VP-Organisationen haben kleine Förderungsbeträge zurückgezahlt, der steirische VP-Seniorenbund hat gleich einmal keine Corona-Förderungen beantragt, weil er Zweifel an der Berechtigung hatte. Aber im "Überbau", in der Bundes-ÖVP, ist man noch im Verleugnungsstadium ("Kein Korruptionsproblem der Volkspartei", sagte Karl Nehammer).

Die wirkliche Frage ist, ob die Österreichische Volkspartei auf Dauer regierungsfähig bleibt, wenn sie weiter so als Partei ohne Genierer dahinwankt. Die Österreicher setzen eine gewisse Verlotterung der Politik voraus, viele partizipieren auch gern davon, wenn es sich ausgeht. Aber wenn es zu viel wird, wenden sie sich plötzlich von denen ab, die sie soeben noch toleriert haben.

Es ist auch ein objektives Problem, wenn ein Kanzler und seine wichtigsten Mitarbeiter ununterbrochen Kraft aufwenden müssen, um Korruptionsgeschichten zu dementieren und zu bagatellisieren. Das kostet Substanz für andere Themen – Corona, Krieg, Klimawandel.

Die ÖVP stellt den Kanzler, weil ein Blender 2019 die Wahl gewonnen und anschließend mit den Grünen koaliert hatte. Es ist in Österreich kaum eine Wendestimmung spürbar, weil die Leute in der Krise keinen Wahlkampf wollen. Das kann sich jedoch ändern.

Aber eine Regierung muss regieren und nicht Skandale aussitzen. (Hans Rauscher, 1.6.2022)