Der frühere Chef der OMV, Rainer Seele, ist geholt worden, um seine guten Russland-Kontakte zum Wohle der OMV zu nutzen. Das rächt sich nun.

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Bei der Hauptversammlung der OMV am Freitag dieser Woche könnte es zum Showdown kommen. Im Mittelpunkt steht der im Vorjahr vorzeitig ausgeschiedene frühere Generaldirektor von Österreichs größtem Industrieunternehmen OMV, Rainer Seele – unter anderem wegen der Russland-Geschäfte der OMV in seiner Generaldirektorszeit. Kleinaktionäre, die vom Interessenverband für Anleger (IVA) vertreten werden, wollen Seele die Entlastung verweigern.

"Einige Seele-Aktionen waren in der roten Zone. Erst jetzt erkennt man die Tragweite. Hier muss für Transparenz gesorgt werden – wenn nötig, mit einer Sonderprüfung oder einer Strafanzeige", sagte am Dienstag IVA-Chef Florian Beckermann und fügte an, dass dabei die Unschuldsvermutung gelte.

Milliardenabschreibungen

Kritisch beleuchtet gehören nach Ansicht von Beckermann mehrere Punkte: Unter die Verantwortung des Ex-OMV-Chefs würden etwa die Milliardenabschreibungen aus dem Pipelineprojekt Nord Stream 2 sowie einem russischen Gasfeld fallen. Zudem will der IVA, dass die "jahrzehntelangen Gaslieferverträge mit Russland ohne Ausstiegsklausel" sowie ein Sponsoring für den russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg in der Höhe von 25 Millionen Euro geprüft werden. "Die genannten Verträge sind ex post zu untersuchen. Hier geht es uns darum, angesichts der geopolitischen Änderungen und Zweifel an der Compliance absolute Klarheit über das korrekte Zustandekommen dieser Verträge zu gewinnen", sagte Beckermann dem STANDARD.

Wie berichtet, hat mit 1. September 2021 Alfred Stern die Nachfolge von Seele an der Spitze der OMV angetreten. Die Russland-Abschreibungen fallen in das erste Quartal 2022. Insgesamt musste die OMV Belastungen von zwei Milliarden Euro verkraften. Eine Milliarde davon resultiert aus dem Scheitern von Nord Stream 2, bei dem OMV als Finanzpartner engagiert war. Hinzu kommt eine weitere Milliarde an Belastungen aus einer Beteiligung am Gasfeld Juschno-Russkoje.

Unter Druck

Der Ex-Wintershall-Chef Seele stand von Mitte 2015 bis zum Frühjahr 2021 an der Spitze der OMV. Der gebürtige Deutsche stand zunehmend unter Druck. Neben internen Machtkämpfen über Strategiefragen war er mit Kritik von Umweltschutzorganisationen konfrontiert.

Die Aktionärsversammlung findet am Freitag in virtueller Form statt. Auf der Agenda stehen auch Wahlen in den Aufsichtsrat. Unter anderem soll die Chefin der Staatsholding Öbag, Edith Hlawati, in das Kontrollgremium einziehen. Die Öbag verwaltet die Staatsbeteiligung an der OMV von 31,5 Prozent. Beckermann vom IVA hofft, dass die Öbag mitzieht und die Vorwürfe gegen Seele prüfen lässt, bevor sie ihm die Entlastung erteilt. Gegen eine Nichtentlastung könnte Seele klagen. (Günther Strobl, 1.6.2022)