Vorgesehen war ein komplettes Ölembargo gegen Russland, herausgekommen ist ein Teilboykott.

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Seit Wochen bemühten sich die EU-27 um ein sechstes Sanktionspaket, das noch schärfer ausfallen sollte als die fünf vorangegangenen. Ziel ist, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu stoppen. Herausgekommen ist – vorerst – ein Kompromiss.

Frage: Das Ölembargo umfasst was genau?

Antwort: Die EU wird die Öleinfuhr aus Russland zwar beenden. Das gilt aber nur für Öl, das per Tanker ankommt. Ungarn, die Slowakei und Tschechien können vorerst und auch noch für längere Zeit weiter über die Druschba-Pipeline, was übersetzt Freundschaftspipeline heißt, beliefert werden.

Frage: Wie stark schadet das Russland?

Antwort: Weil Deutschland und Polen kein Öl aus dem Nordarm der Druschba mehr abnehmen werden, trifft das immerhin 90 Prozent der Einfuhr. Das tut Russland weh, da es das Öl nicht einfach anderswo verkaufen kann – und wenn, dann nur mit hohen Abschlägen, zumal das Paket auch ein Rückversicherungsverbot für russische Öltanker enthält.

Frage: Wann werden die Maßnahmen wirksam?

Antwort: Die Sanktionen gegen Öleinfuhren auf dem Seeweg werden mit einer Anlaufphase von sechs Monaten für Rohöl und acht Monaten für Raffinerieprodukte verhängt, sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission am Dienstag. Dieser Zeitplan würde in Kraft treten, sobald die Sanktionen formell verabschiedet sind.

Frage: Könnte das noch in dieser Woche erfolgen?

Antwort: Es wird erwartet, dass die Botschafter der EU-Länder heute, Mittwoch (1. Juni), den rechtlichen Beschluss fassen, nachdem die EU-Staats- und Regierungschefs den Sanktionen bei einem Gipfel am Montag grundsätzlich zugestimmt haben.

Frage: Dennoch bleibt die Vereinbarung hinter dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission zurück, der ein Verbot aller Öleinfuhren aus Russland vorsah. Warum?

Antwort: Weil es erbitterten Widerstand mehrerer EU-Länder gab, allen voran vonseiten Ungarns, das in weit höherem Ausmaß als andere Länder von russischen Ölimporten abhängig ist. Zuletzt hat Ungarn 65 Prozent seines Ölbedarfs durch Importe aus Russland über die Druschba-Pipeline gedeckt.

Frage: Wie groß ist die Kapazität der Druschba?

Antwort: Die Pipeline, die in den Jahren 1959 bis 1964 von den damaligen RGW-Staaten (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) errichtet wurde, kann bis zu 750.000 Fass am Tag (je 169 Liter) durchleiten. Sie sicherte Russland bisher Einnahmen von bis zu zwei Milliarden Dollar pro Monat von europäischen Staaten.

Frage: Wie wirkt sich das Teilembargo auf den Rohölpreis aus?

Antwort: Obwohl der Boykott von russischem Öl, das per Tanker nach Europa gebracht wird und zwei Drittel der Importmenge betrifft, tatsächlich erst gegen Jahresende voll wirksam wird, ist Teuerung angesagt. Die Preise für das Nordseeöl Brent, aber auch für das US-Öl WTI sind angesichts des Embargos gegen russische Ölimporte mit 124,10 Dollar und 119,43 Dollar je Fass am Dienstag auf den höchsten Stand seit fast drei Monaten geklettert. Brent kostete am Dienstag in der Spitze zwei Prozent, WTI knapp vier Prozent mehr. Zur Erinnerung: Anfang März waren die Preise für Brent und WTI infolge des Einmarschs Russlands in die Ukraine auf fast 140 und gut 130 Dollar je Fass geschnellt.

Frage: Was bedeutet das für Autofahrer in Österreich?

Antwort: Dass die bereits rekordverdächtig hohen Spritpreise in absehbarer Zeit und auf breiter Front wohl neuerlich die Zwei-Euro-Marke je Liter überspringen werden.

Frage: Kommt Österreich mit dem Ölembargo klar?

Antwort: Im Gegensatz zu Gas, wo Österreich zu knapp 80 Prozent von Einfuhren aus Russland abhängt, sind die Ölbezüge breiter gestreut. Laut Daten der Statistik Austria und des Fachverbands der Mineralölindustrie stammten 2021 nur 7,8 Prozent bzw. 596.000 Tonnen der österreichischen Öleinfuhren aus Russland. Mit Kriegsbeginn kommt laut OMV kein Tropfen mehr aus Russland, stattdessen vermehrt aus Kasachstan, Libyen und Irak.

(FRAGE & ANTWORT: Günther Strobl, 1.6.2022)