Chemielabortechniker Gerald Nolz vor dem Metallkasten, in dem die Abwasserproben gesammelt werden. Von der Kläranlage Wien in Simmering werden diese auch ins Labor der TU Wien zur Untersuchung gebracht.

Foto: Christian Fischer

Das Szenario wirkt etwas beunruhigend. Ab heute gilt die Maskenpflicht im ganzen Land nur noch in vulnerablen Settings wie Spitälern oder Alten- und Pflegeheimen. Lediglich in Wien muss in den Öffis weiterhin FFP2-Maske getragen werden. Gleichzeitig warnen Expertinnen und Experten davor, dass die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 Österreich bereits im Juli die nächste Corona-Welle bescheren könnten.

Just in dieser Phase steht beim Abwassermonitoring ein großer Einschnitt an: Das sogenannte Schulstandortmonitoring läuft mit Ferienbeginn aus. Das heißt: Jenes System, das insbesondere seit Ende des unbeschränkten Gratistestens Aufschluss über Infektionsgeschehen und Virusvarianten geben soll, wird ebenfalls eingeschränkt.

Konkret wurde im Rahmen des Schulmonitorings seit vergangenem September zweimal wöchentlich das Abwasser von 108 Kläranlagen in ganz Österreich, die Schulen entwässern, auf Corona untersucht. Angesetzt ist es "vorerst bis Ende des Schuljahres 2021/22", ist auf der Projekt-Website zu lesen. Aus dem "vorerst" ist laut dem dafür verantwortlichen Bildungs- und Wissenschaftsministerium inzwischen ein "definitiv" geworden. "Dieses Projekt läuft mit Ende des Schuljahres aus", teilt das Büro des mittlerweile zuständigen Ministers Martin Polaschek (ÖVP) auf STANDARD-Anfrage mit.

"Thema für das Gesundheitsministerium"

Begründet wird das so: Ziel des Schulstandmonitorings sei es gewesen herauszufinden, "ob man das Coronavirus im Abwasser quantitativ nachweisen und die Analysen flächendeckend Standardisiert ausrollen kann". Das Projekt sei also ohnehin bloß als Testballon gedacht gewesen, so die Argumentation.

Den Ball spielt man dem Koalitionspartner zu: "Mittlerweile geht es um eine Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen. Deshalb ist das Abwassermonitoring ein Thema für das Gesundheitsministerium und wird dort weitergeführt", sagt eine Sprecherin Polascheks.

Im angesprochenen Ministerium von Johannes Rauch (Grüne) bemüht man sich zu beruhigen: Das Abwassermonitoring bleibe "unverändert", heißt es dort.

Auf 24 Anlagen beschränkt

Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht. Richtig ist zwar, dass auch das Gesundheitsministerium Abwasseruntersuchungen durchführen lässt. Das geschieht im Rahmen eines Projekts mit dem sperrigen Namen "Nationales Sars-CoV-2-Abwassermonitoring-Programm". Nach einer Empfehlung der EU wurde es im Jänner gestartet, angesetzt ist es für vier Jahre. Jährlich sind dafür 340.000 bis 1,3 Millionen Euro budgetiert, die exakten Kosten hängen vom Infektionsgeschehen ab. Proben werden dabei aus dem Abwasser der 24 größten Kläranlagen Österreichs entnommen.

Und ebendiese werden weiterhin untersucht. Das bedeutet: Basierte das gesamte System des Abwassermonitorings bisher auf Proben aus mehr als 120 Standorten, verlässt man sich nach Schulschluss nur noch auf 24.

Ist das also der verstärkte Fokus auf Abwasseranalysen, den Rauch im März versprach, als er die Limitierung der Tests verkündete? Im Gesundheitsministerium sieht man jedenfalls keine Diskrepanz. Über die 24 Kläranlagen werde eine Bevölkerungsabdeckung von 52 Prozent erreicht. "Der Monitoringumfang reicht aus, um ein für Österreich repräsentatives Lagebild zu erstellen", sagt ein Sprecher. So könne außerdem überwacht werden, welche Varianten zirkulieren.

Blinder Fleck

Jene Forscher, die am Schulmonitoring mitarbeiten, sehen das anders. Die Schulanalysen und das nationale Monitoring-Programm würden zusammen einen Abdeckungsgrad von 70 Prozent, ergeben, sagt Projektleiter Heribert Insam von der Universität Innsbruck.

Und sein Kollege Norbert Kreuzinger von der Technischen Universität Wien gibt zu bedenken: "Wir verlieren mit Ende des Schulmonitorings die Aussage, was sich in den Regionen tut." Zwar würden die 24 großen Kläranlagen eine "gute Aussage" über das Bundesgebiet liefern. Einzelne Regionen seien aber ausgeschlossen: "Da fehlt etwa das ganze Waldviertel. Dabei haben wir regional immer wieder Cluster entdeckt."

Ähnlich argumentierte die Forschungsplattform "Covid-19 Future Operations", der auch Kreuzinger angehört, bereits Ende April. "Um im Herbst den bis dato breiten Überblick über die regionale Entwicklung der Pandemie weiter zu behalten", müsse die Zeit bis zum Auslaufen des Schulstandortmonitorings für die Planung "einer entsprechenden Weiterführung genützt werden", schrieb die Gruppe.

Übergangslösung gesucht

Insam und sein Team versuchen nun, ihre Analysen zumindest zum Teil weiterzuführen – und zwar über die Bundesländer. Aus Vorarlberg, Tirol, Kärnten und Wien gebe es bereits Zusagen, in Oberösterreich und Niederösterreich werde noch diskutiert, sagt Kreuzinger.

Die Zeit drängt, denn die Laborleistungen müssen neu ausgeschrieben werden. Das werde frühestens im Herbst erledigt sein. Für den Sommer sucht man deshalb nach einer Übergangslösung. Wie sie aussehen könnte, ist offen. (Stefanie Rachbauer, 1.6.2022)