Die smarte Kontaktlinse soll einige Funktionen eines Smartphones ersetzen können.

Foto: Mojo Vision

Eine Kamera und einen kleinen Bildschirm in eine smarte Brille zu stecken klingt zwar im ersten Moment nach einer spannenden Idee. Doch ein Sehbehelf, der im Umfeld den Eindruck erweckt, ständig gefilmt zu werden, ist für die soziale Akzeptanz nicht unbedingt förderlich. Das ist zumindest die Erfahrung, die Google einst mit seinem "Glass"-Projekt – Stichwort: Glasshole – machen musste. Das Projekt existiert heute nur noch in Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmenpartnern im Industrieeinsatz.

Einen anderen Ansatz hat das Start-up Mojo Vision gefunden. Das kalifornische Unternehmen hat in den letzten Jahren hunderte Millionen Dollar an Investorengeldern eingenommen, darunter auch von namhaften Finanziers wie Motorola, Disney oder Liberty Global. Dort arbeitet man an einer smarten Kontaktlinse, die Smartphone-Features bieten soll.

Hightech auf kleinstem Raum

Die Linse setzt auf einen extrem sparsamen Chip mit ARM-Core-M0-CPU mit einer Fläche von 1,3 Quadratmillimetern, der mit einer Leistung von maximal 95 Mikrowatt auskommen soll, wie IEEE Spectrum im März berichtete. Der zusätzliche Bildprozessor verzichtet auf einen Analog-zu-digital-Konverter und setzt auf Kondensatoren als passive Zwischenspeicher, seine maximale Leistungsaufnahme soll bei 111 Mikrowatt liegen.

Ein "CNet"-Bericht über Mojo Vision.
CNET

Zu dieser Zeit stellte Mojo seinen neuesten und featureseitig erstmals vollständigen Prototyp vor. Die Linse soll derart gestaltet sein, dass die integrierte Hardware für das Auge nicht sichtbar ist. Sie blendet verschiedene Informationen ins Sichtfeld ein. Gelöst hat man auch andere Herausforderungen wie einen Akku, der einerseits auf eine biegsame Unterlage passt und andererseits keine Gefahr fürs Auge darstellt. Die Kontaktlinse wird während der Herstellung für jeden Träger zudem individuell angepasst, sodass sie angenehm zu tragen sein soll, ohne locker zu sitzen.

Als praktische Anwendungsbereiche hat man etwa Navigation im Straßenverkehr und Sport im sprichwörtlichen Visier. So soll das futuristische Wearable über ein Micro-LED-Display mit weniger als 0,5 Millimeter Durchmesser und 256 x 256 Pixeln Wegstrecken auf dem Boden einblenden oder während eines Workouts Daten von Sensoren wie Pulsmessern live zeigen. Derzeit erfolgt die Darstellung ausschließlich in Grün, das Unternehmen arbeitet aber bereits daran, hier künftig mehr Farben ins Spiel zu bringen.

Foto: Mojo Vision

Die drahtlose Kommunikation erfolgt über das 5-GHz-Band, jedoch mit einem proprietären Übertragungsprotokoll anstatt Bluetooth Low Energy, um weitere Energieersparnis und schnellere Übertragung zu ermöglichen. Über Magnetometer, Gyroskop und Accelerometer werden Augenbewegungen erfasst, um virtuelle Inhalte konstant an ihrem Platz zu halten – ähnlich machen dies auch Smartphones bei Augmented-Reality-Anwendungen. Gleichzeitig wird auf diesem Weg auch die Steuerung durch das Menü der Software der smarten Kontaktlinse ermöglicht.

Wann die Linse praktisch für den Einsatz zugelassen wird, steht noch in den Sternen. Allerdings befindet sich Mojo Vision gemeinsam mit Partnerfirmen nun in Vorbereitungen für die Ausweitung klinischer Tests von Menschen mit gutem Sehvermögen auf Patienten mit eingeschränkter Sicht. Parallel dazu testet und optimiert man das System weiter und erarbeitet Prototypen für Apps, die von der Linse unterstützt werden sollen. (gpi, 1.6.2022)