Heute schon Schwein gehabt? Fünf Millionen Schweine werden in Österreich jährlich gemästet.

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Wien – Es sollte das größte Tierschutzpaket seit Jahren werden. Tierschützer sehen darin jedoch eine Mogelpackung. Heute, Mittwoch, endet die Begutachtungsfrist für eine Gesetzesreform, die Tierleid in der österreichischen Landwirtschaft reduzieren soll. Der Ball liegt nun bei der Politik, die darüber Ende Juni im Parlament abstimmen wird.

Das Töten von Küken soll verboten werden, sofern diese nicht als Tierfutter dienen. Rinder dürfen nicht mehr ganzjährig im Stall angebunden werden. Für die Haltung von Schweinen gelten höhere Standards. Tiertransporte werden eingeschränkt. Es ist aus Sicht der Regierung ein Weg in die richtige Richtung. Für Kritiker geht sie diesen aber nur in winzigen Trippelschritten. Quer durchs Land mehrten sich die Rufe nach deutlicher Nachbesserung.

Die härtesten Konflikte entzünden sich an der Mast von Schweinen. Vertreter der Landwirtschaft diskutierten im Vorfeld der Novelle ein Ablaufdatum für umstrittene Vollspaltenböden, auf denen neben Schweinen auch Rinder und Kälber gehalten werden.

Vollspaltenböden-Verbot ab 2039?

Ein Verbot ab 2039 stand im Raum, begleitet von Förderungen, um Investitionen der Bauern in ihre Ställe abzufedern. Die Landwirtschaftskammer soll sich quergelegt haben, erzählen in die Verhandlungen Involvierte dem STANDARD. Zugleich würden nun Genehmigungen für neue Ställe im Schnellverfahren durchgeboxt. Denn ab 2023 sollen dafür strengere Auflagen gelten, die Schweinen bis zu 20 Prozent mehr Platz einräumen.

In der Landwirtschaftskammer ist von Schnellverfahren nichts bekannt. Das sei mit Blick in die Zukunft auch nicht ratsam, heißt es auf Anfrage. Vetorecht rund um Vollspaltenböden habe sie nicht. Die Bauern bräuchten aber Planungs- und Rechtssicherheit.

Warum sich viele Betriebe vehement gegen stärkeren Tierschutz wehren? Die Fleischbranche bangt um ihre Wettbewerbsfähigkeit, lebt sie doch zu einem Gutteil von Exporten. International gehandelt werden weniger gewinnbringende Gustostückerl, als jene Teile des Schweins, auf die Österreicher wenig Appetit haben.

Auch in Österreich ist die Bereitschaft, sich weniger Tierleid mehr Geld kosten zu lassen, enden wollend, vor allem abseits des Frischfleisches. Importware ohne Herkunftsnachweis ist günstiger, vor allem in der industriellen Weiterverarbeitung herrscht harter Preiskampf. Der Bund, der mit seiner Beschaffung für öffentliche Einrichtungen wie Spitäler und Kindergärten Vorbildwirkung hat, soll sich mit dem Einkauf von Schweinefleisch aus Tierwohlprogrammen zum Ärger der Bauernschaft sehr zurückhalten.

"Vogel-Strauß-Politik"

Was Tierschützer abgesehen von den weiterhin erlaubten Vollspaltenböden noch erregt: Ferkel dürfen ohne Betäubung kastriert und ihr Schwanz routinemäßig kupiert werden. Kälber gelten ab einem Alter von drei statt zwei Wochen als transportfähig, was an der qualvollen Tortur nichts ändere. Zuchttiere – als solche würden immer wieder auch Schlachttiere deklariert – dürfen nach wie vor in Drittstaaten exportiert werden. Die Übergangsfrist bei der Anbindehaltung von Rindern bis 2030 sei entschieden zu lang.

Eva Rosenberg, Direktorin von Vier Pfoten, ist zuversichtlich, dass die Novelle in ihrer aktuellen Form nicht zum Gesetz wird. "Vogel-Strauß-Politik spielt es nicht mehr." Die Reform sei richtungsweisend. Österreich müsse sich entscheiden, ob man im Billigfleischmarkt stecken bleibe oder in Europa mit höherer Qualität punkten wolle.

Rewe sieht "reine Kosmetik"

Rückendeckung kommt aus dem Handel. Rewe-Chef Marcel Haraszti bezeichnet bisher geplante Verbesserungen in der Schweinehaltung als reine Kosmetik. Für seine Vertriebslinie Billa fordert er "eine rasche Systemänderung" hin zu mehr Tierwohl. Vollspaltenböden gehörten abgeschafft, diese seien eine Fehlentwicklung. Billa selbst arbeite mittlerweile mit 170 Bauernhöfen zusammen, die für die Initiative "Fair zum Tier" Mastschweinen doppelt so viel Platz im Stall wie gesetzlich vorgeschrieben und Auslauf ins Freie zugestehen.

Spar lehnt Vollspaltenböden ebenso ab, wie Konzernsprecherin Nicole Berkmann betont. Es sei eine Form der Tierhaltung, die im Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft so rasch wie möglich beendet gehöre. Spar selbst vermarkte mittlerweile 50.000 Schweine aus Tierwohl-Programmen. Einfach sei es allerdings nicht, Konsumenten dafür zu gewinnen, zieht Berkmann Bilanz.

Die Österreicher haben derweil bis Juni bereits so viel Fleisch verzehrt, wie fürs gesamte Jahr von Gesundheitsexperten empfohlen wird, rechnet die Tierschutzorganisation Vier Pfoten vor. (Verena Kainrath, 1.6.2022)