In den Bergen geht es beispielsweise mit der im Juli erwarteten Latschenblüte erst richtig los.

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Graz – Wochenlang haben in ganz Österreich Massen von gelblichem Blütenstaub Autos, Gartenmöbel und Fenster bedeckt. Nun neigt sich das Phänomen zumindest in den Städten dem Ende zu. Der steirische Naturschutzbund-Präsident Johannes Gepp schätzt, dass in den Tallagen rund 80 Prozent der Pollen bereits gefallen sind. Schon Anfang Mai hatte der Naturschutzbund die Mastblüte registriert und deren Häufung in den vergangenen fünf Jahren auf den Klimawandel zurückgeführt.

Vier Wochen später sieht sich Gepp in seiner Vorhersage einer "selten da gewesenen synchronen Übervermehrung" auf ganzer Linie bestätigt. Vom Ausmaß der heurigen Mastblüte ist aber auch er überrascht. "Normalerweise blühen in einem Jahr nur bestimmte Bäume stärker als sonst. Heuer aber haben das alle", so Gepp. Die 70 bis 80 Baum- und Straucharten in Österreich seien ausnahmslos betroffen. Sogar bei anderen mehrjährigen Pflanzen und bei exotischen Baumarten in botanischen Gärten könne man eine übermäßige Blüte beobachten. Das haben auch Allergiker und Allergikerinnen in diesem Jahr schon leidvoll gemerkt.

Intensive Blüte bedeute Energieverlust

Dazu komme, dass die Mastblüte besonders stark ausgefallen sei. Linden hätten beispielsweise bis zu eine Viertelmillion Blüten und manche mehr Blüten als Blätter, Fichten bis zu 10.000 Zapfen. Diese Last könnte den Nadelbäumen in einem kommenden schneereichen Winter zum Verhängnis werden und zu Baumbrüchen führen. Auch jüngere Bäume, die normalerweise noch nicht blühen, stünden in Blüte, und Bäume, die sonst nur im oberen Teil blühen, hätten in allen Teilen Blüten.

Insgesamt bedeute eine derart intensive Blüte für die Bäume Stress und einen großen Energieverlust. Das mache sie anfälliger für Schädlinge wie den Borken- und speziell den Buchdruckerkäfer. Ein weiteres Problem für jene Bäume, die Insekten zum Bestäuben benötigen, sei, dass es jetzt nicht genug Insekten gebe. Ein drohendes Massensterben von Bäumen sieht Gepp in Österreich vorerst nicht. Dafür sorgten die vergleichsweise reichlichen Regenfälle der letzten Zeit.

Schlimmstes in Österreich überstanden

Positiv sei aus Sicht des Ökologen, dass die Vermehrungsrate der Bäume heuer sprunghaft ansteigt. "Es wird Billiarden von Jungpflänzchen geben", so Gepp. Diese Jungpflanzen bedeuteten ein unglaubliches Potenzial für die Forstwirtschaft, um die Wälder mit gesunden, einheimischen Bäumen klimafit zu machen. Die Forstwirtschaft müsse aber "ihre Aufgaben machen". Eine neue Strategie sei gefragt, so müsse "die Wilddichte radikal herunter", um den jungen Bäumen in ausreichender Zahl die Chance zu geben hochzukommen.

Das heurige "Mastjahr" lasse sich teilweise mit dem heißen Juni des Vorjahrs erklären, so Gepp. Er sieht aber Gründe, "sich das Ganze genau anzuschauen". So sei das Phänomen derzeit auch in anderen Teilen Europas, etwa in Deutschland, zu beobachten. Sogar auf Fotos aus der kriegsgeschüttelten Ukraine könne man neben zerstörten Häusern "Bäume, die von oben bis unten blühen", erkennen.

Während in Österreich das Schlimmste für Auto-, Balkon- und Gartenbesitzer im Flachland überstanden sein dürfte, geht es in den Bergen zum Teil erst richtig los – die Latschenblüte wird beispielsweise Mitte Juli erwartet. Außerdem zahlt es sich aus, Gartenmöbel und Gartentextilien gut zu reinigen. "Blütenstaub ist sehr eiweißreich", so Gepp. Dieser ziehe dadurch eine Vielzahl von Mikroorganismen an, und Möbel und Stoffe bekommen ein rascheres Verfallsdatum. (APA, 1.6.2022)