In Berlin zum Beispiel ist Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrer bereits erlaubt – sofern dies mit einem Schild kenntlich gemacht wird.

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Es ist ein Regelwerk, das die Interessen der Radfahrerinnen und Radfahrer etwas mehr als bisher berücksichtigt. So sieht die geplante 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) des grün geführten Verkehrsministeriums unter anderem ein Rechtsabbiegen bei Rot, ein fast flächendeckendes Radeln gegen die Einbahn oder mehr Abstand zwischen Rad- und Autofahrern beim Überholen vor. Ebenfalls geplant ist, dass zur Sicherheit des Rad- und Fußgängerverkehrs der Halteverbotsbereich bei Kreuzungen von fünf auf acht Meter verlängert wird.

Am Mittwoch endete die Begutachtungsfrist für die umfangreiche Novelle. Bei den dutzenden eingelangten Stellungnahmen verschiedener Organisationen prallten auch auto- und radlerzentrierte Weltbilder aufeinander. Auch wenn fast alle Seiten gemeinsame Lösungen zu einer friedlichen Koexistenz zwischen Autofahrern und Radlern betonten: Bei diesem Thema kracht es traditionell ordentlich.

So merkte die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) auf der einen Seite unverblümt an: "Die geplanten Änderungen bevorzugen einseitig den Fahrrad- und E-Scooter-Verkehr." Und weiter: "Ein weiteres Problem ist die fortschreitende Einschränkung des Straßenraums für den Individualverkehr mit Kfz." Vertreter der Radfahrer begrüßten hingegen zahlreiche Änderungen wie Mindest-Überholabstände und Einbahnöffnung. Diese würden aber "nicht ausreichen, um substanzielle Fortschritte in der Mobilitätswende und der Erhöhung der Verkehrssicherheit zu erzielen".

Wien rechnet mit Mehrkosten von 130 Millionen Euro

Deutliche Kritik an der StVO-Novelle kam von der rot-pink regierten Stadt Wien. So seien zahlreiche von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) geplante Maßnahmen "nicht praktikabel". Auch die Verkehrssicherheit "würde in vielen Fällen auf der Strecke bleiben", wie es aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) heißt.

Wien spricht sich deshalb etwa gegen das Vorhaben aus, das Radeln gegen die Einbahn generell ab vier Metern Straßenbreite zu erlauben. Auch die Verpflichtung, bei Kreuzungen den freizuhaltenden Sichtbereich von fünf auf acht Meter zu erhöhen, lehnt die Stadt in einer Stellungnahme ab. 5.500 Kreuzungen wären von Umbauarbeiten betroffen, es müssten auch 2.400 Bäume gefällt werden. Sollten alle geplanten Maßnahmen der Novelle umgesetzt werden müssen, rechnet Wien mit Mehrkosten von mehr als 130 Millionen Euro.

Stattdessen drängt Wien auf eine weitere Novelle der StVO durch das Verkehrsministerium: Wie berichtet will die Stadt die Einfahrt in die Innenstadt streng limitieren und die Zufahrt mit Kameras kontrollieren. Dazu ist aber eine Gesetzesänderung nötig. Das Verkehrsministerium will jedenfalls aufgekommene Datenschutzbedenken prüfen. Das Vorhaben verzögert sich jedenfalls ordentlich.

ÖAMTC und Wirtschaftskammer gegen Abbiegen bei Rot

Kaum ein Thema ist für die Stadt Wien das Rechtsabbiegen für Radfahrer bei Rot, sofern das mit einem Kennzeichen erlaubt wird. Dafür lehnen das Wirtschaftskammer und auch ÖAMTC vehement ab.

"Rot ist ein Anhaltegebot, das ist ein starkes, gelerntes Signal im Verkehr, insbesondere für Kinder und das sollte es auch bleiben", sagte ÖAMTC-Verkehrsexperte Martin Hoffer. Der Autofahrerclub fordert hingegen ein Maßnahmenpaket, das auch dem deutlichen Anstieg bei Unfällen mit E-Bikes Rechnung trage. Die Zahl der Konfliktunfälle etwa zwischen Radfahrern und Autofahrern stagniere, während die Zahl der selbstverursachten Unfälle ansteige. (David Krutzler, 1.6.2022)