Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Solistenkonzerte an der Wiener Staatsoper, das bedeutet: Stars bringen Fans und Enthusiastinnen ins Haus am Ring – was genau gesungen wird, ist da zunächst einmal gar nicht so wichtig. Startenor Piotr Beczała nutzte diesen Spielraum: Am Dienstag startet er mit einer Fürsprache für Lieder aus seiner polnischen Heimat, also charmante Miniaturen von Mieczysław Karłowicz. Beigelegt wird eine längere Szene aus der Oper Straszny Dwór ("Das Gespensterschloss") von Stanisław Moniuszko.

Beczałas Qualitäten kommen dabei schon alle zum Tragen: Sein den gängigen Kategorien nach "lyrischer" Tenor besitzt großes dramatisches Potenzial, Strahl- und Durchschlagskraft. Er ist freilich immer wohl dosiert und findet die richtige Mischung – auch mit der Klavierbegleitung von Sarah Tysman. Die Studienleiterin der Staatsoper ist als Pianistin eine sehr versierte und verlässliche Partnerin, der mitunter farbenfroh-orchestrale Andeutung gelingen.

Sechs Zugaben

Äußerst bunt das weitere Programm: italienische und französische Romantik, Dvorák, Rachmaninow und Tschaikowsky, bei dem Beczała die sehr leise Bemerkung fallen lässt, Russisch sei für ihn die Sprache Puschkins.

Die Höhepunkte für das Publikum, wie am aufbrausenden Applaus und an den stehenden Ovationen bemerkbar wurde, stellten sich allerdings erst bei den nicht weniger als sechs (!) Zugaben ein. Die Arie des Romeo L’Amour, L’Amour! aus Roméo et Juliette von Charles Gounod und zwei Gesänge des tragischen Malers Cavaradossi aus Giacomo Puccinis Tosca. Hier fand der Sänger zu größter emotionaler Wucht – verbunden mit meisterhafter stimmtechnischer Kontrolle, also einer atemberaubenden Messa di voce, das ein nahtloses An- und Abschwellen der Töne meint.

Für den Direktor

Schließlich verabschiedete er sich heiter im Sinne der Operette mit Dein ist mein ganzes Herz aus Franz Léhars Land des Lächelns und – wie er sagte, speziell für den aktuellen Staatsoperndirektor Bogdan Roščić – mit der Zueignung von Richard Strauss. Dabei klang die Stimme noch frisch und kräftig, als ob Piotr Beczała am liebsten noch stundenlang weitergemacht hätte. (Daniel Ender, 1.6.2022)