"Über Jahrzehnte befinden sich die Bergbau- und die Rohstoffindustrie in Europa in einer Abwärtsspirale", schreibt Holger Paulick von der Geologischen Bundesanstalt in seinem Gastkommentar. Das müsse sich jetzt rasch ändern.

Wenn es um die Stärken der russischen Wirtschaft geht, sind Rohstoffe das bestimmende Thema. Meist ist damit Erdgas und Erdöl gemeint, dabei ist Russland auch bei anderen mineralischen Rohstoffen wie Nickel und Palladium eines der wichtigsten Förderländer. Es greift allerdings zu kurz, so zu tun, als ob es sich hierbei um ein unverrückbares Faktum handelt. Nur weil die "besten" Lagerstätten, also jene, die derzeit mit vergleichsweise geringem ökonomischem Aufwand zu betreiben sind, in einer bestimmten Weltregion vorkommen, bedeutet es nicht, dass es aussichtslos wäre, auch anderswo danach zu suchen.

Lithium in Österreich? Gibt es in Kärnten auf der Weinebene. Auf dem Archivbild sieht man die Probebohrungen.
Foto: European Lithium

Klar ist aber auch: Die Produktion aus europäischen Vorkommen muss sich im globalen Wettbewerb behaupten, auch wenn mancherorts mit deutlich weniger Vorschriften und Genehmigungsverfahren agiert wird. Auch der gesellschaftspolitische Rückhalt für Erkundungs- und Erschließungsmaßnahmen hat immer mehr nachgelassen. Es ist aber bei weitem nicht so, dass es in Europa keine Rohstoffvorkommen gibt. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der geologischen Expertise, der wirtschaftlichen Investitionen und des gesellschaftlichen Willens.

Fachkenntnis fehlt

Dies betrifft nicht nur den Abbau von fossilen Energieträgern, sondern die Primärproduktion von mineralischen Rohstoffen insgesamt. Über Jahrzehnte befinden sich die Bergbau- und die Rohstoffindustrie in Europa in einer Abwärtsspirale, die in den 1980er-Jahren einsetzte und seit der Forcierung der Globalisierung in den 1990er-Jahren an Fahrt gewonnen hat. Entsprechend ist eine Marginalisierung der wissenschaftlichen Expertise und der wirtschaftlichen Kompetenz in Rohstofffragen zu beobachten. Es fehlt in Europa an der Fachkenntnis der Lagerstättenerkundung im globalen Maßstab. Das merkt man daran, dass spezialisierte Erkundungs- und Bergbaufirmen aus technisch hochentwickelten Bergbauländern wie Australien und Kanada bereit sind, in Europa zu investieren.

Ein Beispiel: Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass mit einem fulminanten Anstieg der Nachfrage für Lithium zu rechnen ist, da für den Umbau der Energiesysteme und die E-Mobilität entsprechende Speichertechnologien erforderlich sind – Stichwort Lithium-Ionen-Akkus. Investitionen in eine europäische Primärversorgung mit diesem Rohstoff sind im Wesentlichen durch außereuropäische Firmen erfolgt. Dies bringt zum Teil erhebliche Spannungen mit sich, wie die Auseinandersetzungen um die Jardar-Lithium-Lagerstätte zwischen dem Bergbaugiganten Rio Tinto und der serbischen Regierung jüngst gezeigt haben. Man muss festhalten: Ohne die Investitionen von Rio Tinto in Bohrungen und andere Erkundungsmaßnahmen in der Größenordnung von 450 Millionen Euro in zehn Jahren wäre heute nicht bekannt, dass sich in Serbien eines der größten Lithiumvorkommen der Welt befindet.

"Die zu lösende Frage lautet bei allen Rohstoffen stets: Suchen wir lokale Kompromisse, um Umweltvorschriften und Bergbauaktivitäten unter einem Hut zu bringen, oder importieren wir Rohstoffe und begeben uns in ausländische Abhängigkeit?"

Für Österreich gibt es ein ähnliches Beispiel: Die in den 1980er-Jahren entdeckte Lithium-Lagerstätte auf der Weinebene nahe Wolfsberg in Kärnten wurde als Entwicklungsprojekt von einem australischen Investor übernommen und weiterentwickelt, sodass nun eine Ressourcenabschätzung nach modernen Standards vorliegt. Ob sich diese Investition gelohnt hat, muss sich noch zeigen, bis zu einer tatsächlichen Bergwerkseröffnung ist es noch ein weiter Weg. Hier zeigt sich auch, dass rohstoffgeologische Erkundung ein riskantes Geschäft ist, das sich oft erst nach Jahrzehnten auszahlt. Und die entscheidende Frage ist natürlich: Gibt es einen gesellschaftspolitischen Konsens, die materiellen Notwendigkeiten für die Dekarbonisierung von ganzen Wirtschaftszweigen wenigstens zum Teil mit heimischer Produktion der notwendigen mineralischen Rohstoffe zu realisieren?

Die Frage der Versorgungssicherheit mit mineralischen Rohstoffen ist auf EU-Ebene nach der kurzfristigen Krise beim Export von Seltenen Erdelementen aus China (2008) auf der Agenda. Seit 2010 wird regelmäßig eine Liste mit "kritischen Rohstoffen" veröffentlicht: Hohe Bedeutung für die europäische Industrie und eingeschränkte Versorgungsoptionen sind hier die Kriterien. Die zu lösende Frage lautet bei allen Rohstoffen stets: Suchen wir lokale Kompromisse, um Umweltvorschriften und Bergbauaktivitäten unter einem Hut zu bringen, oder importieren wir Rohstoffe und begeben uns in ausländische Abhängigkeit?

Heimische Quellen

Um auf Versorgungskrisen vorbereitet zu sein, sollte man Untersuchungen zum geologischen Potenzial in Österreich verstärken, um einen gewissen Teil der Versorgung aus regionalen Vorkommen sicherstellen zu können. Hierfür gibt es Vorbereitungen, den österreichischen "Masterplan Rohstoffe 2030". Hier werden die notwendigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Sicherung der Rohstoffversorgung Österreichs in drei Säulen beschrieben: erstens die Versorgung aus heimischen Quellen, zweitens die Versorgung aus internationalen Zulieferquellen und drittens "Smart Production", also Kreislaufwirtschaft.

Der Umsetzung der 95 konkreten Einzelmaßnahmen sollte im Sinne der Resilienz Österreichs höchste Priorität eingeräumt werden. Es ist leider damit zu rechnen, dass es in vielen Bereichen der Versorgung mit kritischen Rohstoffen in Zukunft zu Störungen kommen kann. Denn der wichtigste Lieferant ist China. (Holger Paulick, 2.6.2022)