Populär zwar, aber für die Popkultur oft auch ein Feindbild: Queen Elizabeth von England, hier von Street-Artist Banksy in den Rang eines David Bowie gehoben.

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Wer Grace Jones einlädt, der bekommt Grace Jones: "Hallo, ihr Sklaven", soll sie beim Empfang anlässlich des diamantenen Thronjubiläums von Queen Elizabeth vor zehn Jahren gesagt haben. Ein Zucken ging durch den Saal, obwohl die Sängerin wahrscheinlich die Sklaven des Rhythmus gemeint und auf den Song angespielt hat, den sie später zum Besten gab: Slave to the Rhythm. Aber was weiß man?

Der Zwischenfall bestätigte die offizielle Haltung des Hofes: Popkultur und das britische Königshaus "do not match" – schon gar nicht mit Queen Elizabeth. Das ist zwar falsch, aber nachvollziehbar.

Die Queen gilt als Sinnbild der Contenance; ihr Leben verläuft entlang einer klar definierten Etikette und entlang festgeschriebener Regeln. Selbst wenn das nicht mehr als ein aufwendig gepflegter Mythos ist, gelten Abweichungen als Fehltritte und also zu vermeiden, denn kaum jemand steht so unter Beobachtung wie die Queen: Sie gilt vielen als moralische Instanz.

Sex, Drogen und Nasenbohren

Der Popkultur hingegen ist der Regelbruch eingeschrieben. Die Ausschweifungen, die Grenzüberschreitungen, Sex, Drogen und Nasenbohren – zumindest offiziell konveniert nichts davon mit den exakt sitzenden Hüten am Hofe.

Blickt man auf das Programm der Festlichkeiten zum Thronjubiläum in Platin, bietet sich aber ein durchlässigeres Bild. Die am heutigen Donnerstag beginnenden Feierlichkeiten für 70 Jahre Thronsitzen warten nachgerade traditionell mit einem Pop-Programm auf.

Queen Elizabeth feiert dieser Tage ihr 70. Thronjubiläum. Was bringt die britische Monarchin in Partystimmung und welche Feierlichkeiten sind für das Platin-Jubiläum geplant? Eine Vorschau
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Schrullige Folklore

Am Samstag steigt im Rahmen der "Platinum Party at the Palace" ein Konzertreigen. Auftreten werden vor 22.000 Gästen die Reste der Gruppe Queen mit Ersatz-Freddie Adam Lambert als Sänger, Alicia Keys, Diana Ross, Hans Zimmer, Ella Eyre, Craig David, Mabel und George Ezra. Dazu die Lieblingsband von Lady Di, Duran Duran, weiters Andrea Bocelli, Mimi Webb, Sam Ryder, Jax Jones, Celeste, Nile Rodgers ...

Für Kritiker der royalen Institution verströmt das die Aura von Brot und Spiele. Denn bei allem Verständnis für die schrullige Folklore und die Sympathien, die sie generiert: Königshäuser gründeten sich immer auf Ausbeutung der Armen, der Untertanen. Nur dass sich die milden Revolutiönchen bei den Wahlgängen heute gegen die niederen Vertreter der Parteien richten. Neben ihnen, man denke nur an Boris Johnson, erscheint die Queen natürlich als integre Person.

Selbst abseits offizieller Anerkennung und Akzeptanz des Unausweichlichen ist die Queen ein Fixstern der Populärkultur geworden, wenngleich es auf dem Weg dorthin nicht immer friktionsfrei ablief.

Späte Genugtuung

Berühmt wie berüchtigt geriet das Thronjubiläum 1977. Die Punk-Band The Sex Pistols mietete ein Schiff, mit dem es die Themse entlang in Richtung Thronfeierlichkeiten schipperte, wo sie ihre neue Single spielte: God Save the Queen. Das war ein handfester Skandal im Königreich. Im Umgang mit derlei Frechheiten nicht geübt, wurden elf Teilnehmer beim Landgang wie Tagediebe festgenommen, teils unter Gewaltanwendung seitens der Polizei. Doch das ist Themsewasser von gestern.

Ein paar Dekaden später war das Plattencover von God Save the Queen wie selbstverständlich Teil einer Ausstellung im Rahmen des diamantenen Jubiläums. Damals gab es ein Nachspiel.

"Faschistisches Regime"

Eine Online-Aktion versuchte, den Sex Pistols späte Genugtuung zu bescheren und die Single God Save the Queen mittels Downloads an die Spitze der britischen Charts zu bringen. Denn bis heute hält sich das Gerücht, dass der Thron 1977 verhindert habe, dass in der Jubiläumswoche ein Song auf Platz eins der Charts steht, der die Royals ein "fascist regime" schimpft. Rod Stewarts knieweiches I Don’t Want to Talk About It war stattdessen auf Platz eins.

Mitte der 1980er-Jahre erschien das Album The Queen Is Dead der damaligen Brit-Pop-Regenten The Smiths, der Titel Wunsch und Ansage zugleich. Sänger Morrissey zählt bis heute zu den erbitterten Gegnern der Monarchie, in den 1980ern waren diese Gefühle zusätzlich von der Politik Margaret Thatchers getrieben.

Geadelter Pop

Morrissey pflegt bis heute seine Ablehnung, während andere Popstars von höchster Stelle geadelt wurden und ungeachtet ihrer tatsächlichen Betragensnote als Sirs gelten: Elton John etwa, Mick Jagger oder Paul McCartney, der bei einer Thronfeier die 1969 entstandene, leicht hämische Beatles-Miniatur Her Majesty vortrug.

Doch längst herrscht breiter Konsens über die alte Dame. Es gibt ihr huldigende Filme und Serien wie The Queen oder The Crown, und in der bildenden Kunst gilt sie als Popstar, seit Andy Warhol sie 1985 porträtiert hat.

Selbst der Obrigkeiten selten wohlwollend gegenüberstehende Street-Artist Banksy hat die Queen als Ikone im Range eines David Bowie an eine Hauswand gepinselt. Dass dieses Porträt heute zudem auf tausenden T-Shirts zu sehen ist, unterstreicht den Status der Queen – als Faktotum der Popkultur. (Karl Fluch, 2.6.2022)