Traute Viersamkeit: (von links) der frühere Generaldirektor der OMV, Rainer Seele, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Russlands Staatspräsident Wladimir Putin, und Gazprom-Chef Alexei Miller im Herbst 2018 in St. Petersburg.

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Österreichs größter Industriekonzern OMV wird von der Vergangenheit eingeholt. Der Öl-, Gas- und Chemiekonzern, an dem die Republik über die Beteiligungsholding Öbag 31,5 Prozent hält, war zwar das erste, aber nicht das einzige Unternehmen Westeuropas, das mit Russland Gaslieferverträge abgeschlossen und Geschäfte gemacht hat. Kaum ein anderes Land außer Österreich hat sich aber in eine so starke Abhängigkeit von Gas aus Westsibirien gebracht.

OMV und Österreich – das war zumindest bei Energie immer ein und dasselbe. Energiegesetze, die im Nationalrat beschlossen wurden, sind nicht selten in der Zentrale der OMV, die sich früher am Otto-Wagner-Platz in Sichtweite der Nationalbank befunden hat und seit 2015 nahe dem Wiener Praterstadion steht, vorformuliert worden. Wegen mangelnder Expertise im Wirtschaftsministerium in Energiefragen, wie es mitunter süffisant hieß. Das ist so nicht mehr der Fall.

Zäsur im Jahr 2015

Das Jahr 2015 steht dennoch für eine Zäsur. Im Juli vor sieben Jahren trat Rainer Seele seinen Job als OMV-Chef an. Der aus Deutschland stammende Manager, der zuvor Chef der BASF-Tochter Wintershall war, wurde geholt, weil die OMV noch mehr als ohnedies schon von den guten Verbindungen nach Moskau profitieren wollte und sollte. Seele, der den zuvor in Ungnade gefallenen Gerhard Roiss an der Spitze der OMV abgelöst hatte, war mit seinen Russland-Connections Garant dafür.

Russland ist wie kaum ein anderes Land reich an Gas. Der Angriffskrieg in der Ukraine beschleunigt die Suche nach anderen Bezugsquellen.
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Die Geschäfte mit Russland florierten, die Gaslieferverträge, von denen der erste in das Jahr 1968 zurückreicht, wurden vorzeitig und "zu guten Konditionen", wie es heißt, bis 2040 verlängert. Zudem kaufte sich OMV in ein russisches Gasfeld ein und beteiligte sich an der Finanzierung der Ostseepipeline Nord Stream 2, die zwar fertig gebaut, wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aber nie in Betrieb gegangen ist.

Entlastung ja oder nein

All das und noch einiges mehr wird dem Deutschen, der mit einem Einkommen von bis zu sieben Millionen Euro einmal zu den bestverdienenden Managern Österreichs gehörte, nun nicht zuletzt vom Interessenverband für Anleger (IVA) zum Vorwurf gemacht. Die Kleinaktionärsvertreter wollen Seele die Entlastung in der Hauptversammlung verweigern, bis alle Vorwürfe aufgeklärt sind. (Günther Strobl, 2.6.2022)