Musikalischer Zug fährt ab.

Foto: Wiener Linien / Johannes Zinner

Die Wiener Linien auf Instagram und Facebook: Viele lustige Memes, verknüpft mit aktuellen Anlässen, Regenbogenfahnen, Diversität und Achtsamkeit. Alles korrekt und weltoffen bei den Online-Öffis. "Wir sind am Ziel", könnte man glauben, steigt man nur im Internet in die Wiener Linien ein.

Wie auch das Vorbild der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben sich die Wiener Linien mit ganz viel popkulturellen Einflüssen online einen Safe Space gebaut, in dem alle von A nach B kommen. A und O ist dabei, cool zu sein. Wer erinnert sich noch an die 2018er Capsule Collection der Wiener Linien, die damals wegging wie die warmen Semmeln?

Zuerst dieses Video, dann eine Capsule Kollektion. Da waren die Wiener Linien noch am Puls der Zeit, so halbwegs.
Wiener Linien

Seit kurzem versuchen die Öffis, auch auf Spotify am Puls der Zeit zu sein. Mit einer Verspätung von circa fünf Jahren hat man eine Songliste für jede U-Bahn-Linie zusammengestellt, deren Dauer der Zeit entspricht, die es dauert, mit der jeweiligen Linie von Endstation zu Endstation zu fahren.

Die Idee ist ja nett, genauso wie die Titel der Playlists. "U-Bahn Calling" heißt die U4-Playlist, vermutlich in Anlehnung an Falcos Vienna Calling und seine U4-Connection. Vienna Calling kommt dann komischerweise in der U6-Playlist vor, Schifoan vom Ambros dafür in der U4-Playlist, obwohl die grüne U-Bahn auf keinen Berg fährt.

Lichtblick am Ende des U-Bahn-Tunnels

Die U3-Playlist heißt "Hip Hottakring", aber weder Moneyboy noch Raf Camora, beide 15.-Bezirk-betroffen, haben es mit ihrer Musik reingeschafft. Wahrscheinlich zu böse. EsRap, das Duo aus Ottakring, aber auch nicht; überhaupt kaum ein Song, der Wien als migrantische Stadt thematisiert. Dafür je zwei Nummern von Josh. und Wanda. Wenigstens der Kaisermühlen Blues hat in der U1-Playlist Platz gefunden, ein Lichtblick am Ende des U-Bahn-Tunnels.

Dass die Wiener Linien sich mittels ihres Online-Auftritts eine Utopie davon bauen, wie Wien sein soll, auch wenn es so nicht ist, sei ihnen unbenommen. Ihre Musikauswahl bleibt allerdings hinter ihrem diversen Weltbild und dem Zeitgeist zurück. Das ist natürlich ein bisserl wurscht, trotzdem muss jemand, der diese Playlists hört, glauben, dass seit Austria 3 wenig nachkam. With great Reichweite comes great Responsibility. In diese Playlists will man leider so gar nicht einsteigen. (Amira Ben Saoud, 1.6.2022)