Die einen blicken den anderen in den Gastgarten: Die Lokale Zum Gemütlichen Weinhauser und Berger & Lohn sind in Sichtweite.

Foto: Christian Fischer

Nichts ist schlimmer als Langeweile, meint Jan, der liebenswerte wie redselige Mitarbeiter des Zum gemütlichen Weinhauser. Und deshalb gibt es zum Kaffee keinen trockenen Keks, sondern einen Löffel Milchschokolade-Espuma mit Knisterpulver darauf.

Währenddessen zieht Eigentümer Alexander Wanitschek bunte Zuckerwatte für die Kinder, die gerade gegenüber in der Weinhauser Kirche St. Josef ihre erste Kommunion bekommen haben. Er "würzt" die Zuckerwatte mit Campino-Zuckerln – so tauchen auch Erwachsene in ihre Kindheit ab. Den Weinhauser gibt es seit über 101 Jahren, Alexander Wanitschek ist das Enkerl der Enkerl der Begründer. Bis vor wenigen Jahren war der Weinhauser ein Vorstadtgasthaus mit vielen Möglichkeiten.

Wanitschek nützte die Lockdowns, um das Lokal neu zu positionieren. Schritt für Schritt, immer nach der Decke gestreckt, baute er das Lokal um und holte Profis in sein Team. Sein Mitarbeiter Jan Pavel, vormals Barchef im Fabios, sprüht vor Ideen. So gehen zum Beispiel die sensationell trocken vielschichtigen Marktbrausen auf sein Konto: Milder Essig wird mit Früchten angesetzt, teilweise bis zu einem Jahr gereift, leicht aufgezuckert und dann mit Soda oder Leitungswasser aufgespritzt.

Die Komplexität dieser Durstlöscher kommt an Wein heran, wird auch in solchen Gläsern serviert und macht alkoholfreie Zeiten so richtig genießbar. Im Weinhauser gibt es einundzwanzig hausgemachte Limonaden; internationale Marken haben komplett ausgedient.

Der Weinhauser ist auch eine Cocktailbar. Und auch da geht es nicht nur normal ab – Jan Pavel setzt auf bottle aged Cocktails und Kräuterinfusionen. Lokale Alkoholika ersetzen sukzessive die internationalen.

Räuchern im Garten

Mit dem Koch Rene Skilich wird gerade der nächste Schritt gesetzt. Schweine- wie Rindfleisch werden selbst trockengereift, gut sichtbar im Gastraum. Das Fleisch im Fleischkühler, ebenso im Gastraum, liegt mit den Etiketten nach oben – transparenter geht es nicht. Stierhoden, Pferdeherz, Kaninchennieren, Saiblingsleber – für Innereienfreunde gibt es immer Schmankerln auf der Karte.

Das neunundneunzig Stunden geschmorte Kalbsherz gehört zu den gefragtesten Gerichten. Sämtliche Braten marinieren mindestens 24 Stunden, bevor die Hitze sie küsst. Und damit es nicht langweilig wird, wechseln einander Duroc, Iberico- und Wildschwein turnusmäßig ab. Rind darf im Rindertalg zwölf Wochen nass reifen, geräuchert wird im Garten.

Der Weinhauser sieht sich als Kollektiv und Raum für den Bezirk. Beisl, Restaurant, Bar, Treffpunkt – wenn man abends im hohen Schankraum steht, die vorhangfreien Fenster die gelebte Offenheit sichtbar machen, wähnt man sich ein wenig in Berlin-Kreuzberg. In der warmen Jahreszeit schaffen es aber nicht viele Gäste in den Schankraum, zu schön ist der Gastgarten unter den drei riesigen Platanen gegenüber der Kirche. Hochwertiges Mobiliar, kühler Schatten und den Blick auf den Nachbarn – das wunderschöne Restaurant Berger & Lohn von Horst Scheuer.

Dieser bewies Mut, als er den herabgewirtschafteten Bürgerhof übernahm und aus dem Schandfleck ein Prunkstück machte. Spiegel, Marmor, bunte Glasziegel, Kellner in weißen Dinner-Jackets. Irgendwo müsste Rick Blaine stehen und traurig in seinen Whiskey blicken. Das Berger & Lohn erinnert an die großen Brasserien von Paris. Eleganz und Stil, mit einer Prise Abgehobenheit, ohne dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Kitschig schöne Oase

Befreundete Künstler und Künstlerinnen gestalteten das Lokal maßgebend: Claudia Cavallar das Souterrain samt Nassräumen, Lukas Lederer die Reliefs an den Wänden, und Tobias Pils zeichnet für die Fliesen an der Bar verantwortlich. Der Gastgarten ist eine kitschig schöne Oase, mit Palmlilien und viel anderem Grün.

Ist der Gemütliche Weinhauser eher Patchwork und im Stillen laut, so ist das Berger & Lohn ein Gesamtkunstwerk, das sich selbst inszeniert, stolz und mit Attitüde. Zuletzt ist Horst Scheuer ein Coup gelungen: Er konnte den hervorragenden Koch Thomas Wohlfarter für sein Brasserie-Konzept begeistern – und dieser begeistert nun mit seiner Art zu kochen. Wohlfarter kochte im Steirereck, im Tantris und war im Meinl am Graben und im Palais Coburg Souschef von Christian Petz – und auch dessen Nachfolger. Im Dom-Beisl gab es für ihn einen Michelin-Stern, im Gasthaus Seidl danach Lob von den Gästen.

Ein für ihn typisches Gericht ist der marinierte Kalbskopf mit Belugalinsen, Vanillenavetten und Röstzwiebeln. Eine geniale Komposition, von einem Könner perfekt umgesetzt. Aber auch die confierte Entenbrust mit Pak Choi, Shiitakepilzen und knusprigem Sesam oder die Erdbeer-Rhabarber-Tarte mit Topfeneis erzeugen ein imperatives Verlangen nach einem Wiedersehen. Fantastische Küche, gut abgestimmte Weinkarte, eleganter Rahmen und ein Könner als Gastgeber – mit Recht wurde das Berger & Lohn von Anfang an gestürmt.

Der Gemütliche Weinhauser und das Berger & Lohn teilen sich den entspannten Platz vor der Pfarre Weinhaus und die Gunst der Gäste. Das einzig Trennende sind die Weinhauser Gasse und die unterschiedlichen Ansprüche an einen wunderbaren Abend. Dieser widerfährt einem und einer, egal, für welches Lokal man sich entscheidet. Glückliches Währing. (Gregor Fauma, 2.6.2022)