Justizministerin Zadić (Grüne) will ein "Mehraugenprinzip" bei der Bundesstaatsanwaltschaft.

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Werden mächtige Unternehmer und Politiker strafrechtlich besonders verfolgt oder besonders geschützt? Spätestens seit dem Ibiza-Video steht diese Frage im Zentrum unzähliger Debatten. Aus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) waren Beschwerden über "Störfeuer" und "lähmende" Vorgehensweisen der Oberbehörden zu hören; deren Vertreter wie der langjährige Sektionschef Christian Pilnacek sprachen wiederum in Chats von einer "missratenen Truppe" und, im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung beim damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), von einem "Putsch".

Grund der Misere sind die Struktur der Staatsanwaltschaften und das leidige Thema der "Weisungen". Jeder Staatsanwalt berichtet nach oben zu "seiner" Oberstaatsanwaltschaft, diese in die Sektion V des Ministeriums und dann zu dessen politischer Führung in Form von Ministerin oder Minister. Zwar berät seit der Amtszeit von Wolfgang Brandstetter (ÖVP-nominiert) ein Weisungsrat den jeweiligen Minister, die Letztentscheidung wird aber von der Politik getroffen – und auch bei der Bestellung von Sektionschef, Abteilungsleiter und Führungsposten in der Staatsanwaltschaft hat die Politik ein Wort mitzureden.

Um den parteipolitischen Einfluss aus der staatsanwaltschaftlichen Arbeit herauszuhalten, haben sich Grüne und ÖVP auf die Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts geeinigt. Der soll statt der Ministerin das letzte Wort haben, wenn es um Anklagen, Einstellungen oder gewichtige Ermittlungsmaßnahmen geht. Vermutlich wird die Generalprokuratur zur Bundesstaatsanwaltschaft "umgebaut".

Meinungsverschiedenheiten

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat im Februar 2021, kurz nach der Razzia bei Blümel, eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Bundesstaatsanwalt "erfinden" soll.

Nun liegt ein neuer Zwischenbericht vor – und es offenbaren sich gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen der Ministerin und einigen ihrer Expertinnen und Experten. Konkret geht es um die Frage, ob es an der Spitze der neuen Behörde ein Bundesstaatsanwalt, eine Doppelspitze oder ein Kollegialorgan geben soll.

Im Bericht der Arbeitsgruppe heißt es im Punkt Organisation: "Keine Doppelspitze, sondern monokratische Struktur", wenngleich "eine Entscheidungsfindung in Senaten ebenso als gleichwertige Überlegung diskutiert" werde. In einer Pressemitteilung hat sich Zadić am Donnerstag jedoch festgelegt: "An der Spitze der Staatsanwaltschaft soll das Mehraugenprinzip gelten."

"Gemeinsames Gremium"

Die Debatte wird spitzfindig geführt, immerhin befindet man sich ja im Bereich der Juristerei: Aus der Arbeitsgruppe ist zu hören, dass gemeint war, Entscheidungen zwar in Senaten zu treffen, dass aber jedenfalls ein einziger Behördenleiter oder eine Behördenleiterin letztverantwortlich für das Agieren der Bundesstaatsanwaltschaft sein soll. Bei Zadić heißt es jedoch, dass "ein gemeinsames Gremium aus mehreren Personen" der beste Garant gegen Beeinflussung sei.

Zu tun hat all das natürlich auch mit dem Fall Pilnacek: Der war ja jahrelang als Sektionschef für die Dienst- und Fachaufsicht über Ermittlungen zuständig. Alle Parteien außer der ÖVP werfen ihm vor, parteiisch tätig geworden zu sein. Man stelle sich vor, Pilnacek wäre Bundesstaatsanwalt gewesen, sagen Kritikerinnen einer Einzelspitze – da sei doch klar, dass eine solche keine gute Idee sei. Tatsächlich soll der Bundesstaatsanwalt nämlich unbefristet amtieren, die Aufgabe also bis zu seinem 65. Lebensjahr wahrnehmen. Abberufen kann ihn die Ministerin nicht. Nur aus disziplinar- oder strafrechtlichen Gründen könnte das Dienstverhältnis enden, zuständig soll dafür der Oberste Gerichtshof (OGH) sein.

Quo vadis, WKStA?

Unterstützung für ihre Pläne bekam Zadić jedenfalls von der Vereinigung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, auch der Beirat zur Arbeitsgruppe, der aus Persönlichkeiten wie Ex-Vizekanzler Clemens Jabloner, Verfassungsexperte Heinz Mayer und Korruptionsexperte Walter Geyer besteht, soll sich dafür aussprechen. Und es sei keineswegs so, dass die Arbeitsgruppe geschlossen gegen Zadic' Idee sei, heißt es von einem Beteiligten.

Konfliktpotenzial ist aber noch vorhanden: Dem Vernehmen nach geht es dabei vor allem um die Rolle der WKStA in dem neuen Gefüge. So kursieren Pläne, nach denen die WKStA direkt dem Bundesstaatsanwalt statt einer Oberstaatsanwaltschaft berichten und WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda im Führungsgremium der Bundesstaatsanwaltschaft vertreten sein soll. (Fabian Schmid, 2.6.2022)