Foto: Reuters / Benoit Tessier

Für Krypto-Enthusiasten sind es keine guten Wochen. Mit dem Absturz des Stablecoins Terra begab sich auch Bitcoin auf Talfahrt. Bis heute hat sich der Kurs bei weitem nicht von seinem Schock erholt und liegt zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Worte bei knapp 28.000 Euro. Zahlreiche Anleger haben ihr gesamtes Erspartes verloren oder mussten ihr Portfolio mit massiven Verlusten abstoßen. Während Kritikerinnen und Kritiker das Projekt teilweise schon für gescheitert erklären, sind sich andere sicher, man müsse nur lange genug warten, bis der Kurs erneut in die Höhe schnelle.

Zu den bekanntesten Skeptikerinnen des Kryptouniversums zählt mittlerweile die US-Amerikanerin Molly White. Auf ihrem Blog "Web3 is going just great" dokumentiert sie Tag für Tag Beispiele für gescheiterte Kryptoprojekte, Betrugsfälle und millionenschwere Diebstähle. Damit will sie aufzeigen, dass viele Projekte "nicht wirklich so gut laufen, wie ihre Befürworter uns glauben machen wollen".

Timeline des Scheiterns

Die knackig formulierten Beiträge der 28-jährigen Softwareentwicklerin reichen dabei bis zum Anfang des Jahres 2021 zurück. Von der Verhaftung eines ehemaligen Opensea-Managers, der wegen Geldwäsche angeklagt wird, über gescheiterte NFT-Verkäufe und Betrugsversuche bis hin zum kürzlich erfolgten Crash von Terra/Luna thematisiert sie unterschiedlichste Geschehnisse. All das geschmückt mit einem "Grift-Counter", der mitzählt, wie viel Geld bereits mit Kryptowährungen ergaunert wurde (derzeit offenbar 9,785 Milliarden Dollar).

Bevor White ihr Web3-Projekt startete, hatte sie bereits jahrelang Wikipedia-Einträge verfasst. Als Teenager noch über ihre Lieblingsbands, später über politische Themen wie die sexistischen Angriffe auf Journalistinnen im Rahmen von "Gamergate", berichtet die "Washington Post". Nachdem Donald Trump 2016 die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen hatte, sei sie dann auf rechtsradikale und -extreme Internetbewegungen umgeschwenkt und habe mittlerweile mehr als 100.000 Einträge verfasst.

"Missbrauch auf der Blockchain"

Ihre Arbeit bescherte ihr drei Amtszeiten in Wikipedias Arbitration Committee, das für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Autorinnen und Autoren verantwortlich ist. Bis heute ist sie außerdem Administratorin und ein sogenannter "Functionary" der Plattform, also eine Userin mit bevorzugtem "technischem Zugang zu den Wikimedia-Projekten".

Molly White

Aber nicht nur das: Im Frühjahr hielt White einen Gastvortrag über "Missbrauch auf der Blockchain" an der Stanford University. In ihm argumentierte sie, dass Kryptotechnologien eine Missbrauchsgefahr bergen würden, die in Diskussionen ausgeblendet werde. Einer der größten Vorteile einer Blockchain – dass alle Transaktionen auf dieser gespeichert werden und somit fälschungssicher sind – berge laut ihr massive Risiken, sobald man damit beginne, Kryptowährungen auch im Alltag einzusetzen. Der Grund: Jede sogenannte Wallet, in der das eigene Vermögen gespeichert wird, ist eindeutig identifizierbar.

"Stellen Sie sich vor, wenn Sie Ihrem Tinder-Date die Hälfte der Essensrechnung per Venmo überweisen, könnte es jede Transaktion sehen, die Sie jemals getätigt haben – und zwar nicht nur auf Venmo, sondern auch mit Kreditkarte, Banküberweisung oder anderen Apps. Und zwar ohne die Möglichkeit, die Sichtbarkeit der Überweisung auf 'privat' zu stellen", schreibt White in einem Blogbeitrag. Missbräuchliche Ex-Partner, Fremde oder auch Familienmitglieder könnten dadurch Einblick in den privaten Lebensbereich erlangen.

Schädliche Technologien

Mit der Berichterstattung zum Thema Web3 startete White 2021. Damals sei sie in sozialen Medien immer häufiger auf den Begriff gestoßen, erzählt sie gegenüber der "Washington Post": "Ich habe das Wort überall gesehen, aber niemand hat gesagt, was es bedeutet." Eigene Nachforschungen hätten sie jedoch zur Schlussfolgerung gebracht, dass die Kryptowelt voller Betrug sei, mit dem Menschen um ihr Geld gebracht werden sollen, berichtet die US-Zeitung. Ihre Kritik richte sich deshalb an die größten Spieler am Markt, die Kleinanlegern fälschlicherweise weismachen würden, dass Kryptoinvestments der beste Weg zu neuem Reichtum seien.

Die Technologien seien so schädlich, "dass ich sie aus ethischen Gründen nicht weiter ignorieren kann und stattdessen mein Bestes tun muss, um aufzuklären und mich gegen ihre breite Einführung einzusetzen", schreibt White auf ihrer Webseite. "Ich suche mir meine Schlachten aus, und dies ist eine davon." (mick, 4.6.2022)