Im dritten Terrorprozess gegen den ehemaligen jihadistischen Hassprediger Mirsad O. und weitere Angeklagte gab es bereits das erste Urteil.

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Die Fall war für den Richter denkbar einfach. Immerhin hatte sich der Angeklagte bereits bei der Prozesseröffnung vollumfänglich schuldig bekannt. Das Jahr 2013 sei schlicht kein gutes für E. K. gewesen, erklärte sein Anwalt Nikolaus Rast im Großen Schwurgerichtsaal des Wiener Landesgerichts. Nachdem die Fußballkarriere seines Mandanten – ein Bosnier, der in Deutschland lebt – im Sande verlaufen war, sei er in den Jihadismus abgeglitten. Dann geriet der heute 35-jährige E. K. scheinbar für eine gewisse Zeit in die Nähe des ehemaligen serbischen "Hasspredigers" Mirsad O., der bis heute als eine Art Popstar der österreichischen Jihadistenszene gilt. Im Jahr 2016 wurde O. in Graz wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Am Dienstag startete der bereits dritte Prozess, der sich mit der Vergangenheit von Mirsad O. beschäftigt. Ihm und weiteren Angeklagten wird vor allem vorgeworfen, in den Jahren 2013 und 2014 Kämpfer für den sogenannten Islamischen Staat (IS) rekrutiert zu haben. Das gestand O. abermals. Aber er gab auch jene Geschichte zu, bei der E. K. ins Spiel kommt.

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Die Vorhalte gegen den Bosnier beziehen sich auf den 12. Oktober 2013. Damals hielt E.K. gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten und mit Unterstützung von Mirsad O. eine "Syrien-Benefizveranstaltung" in Wien ab. Nach außen hin als Spendenaktion für Syrien getarnt, sollten die dort eingesammelten 20.000 Euro aber am Ende den Terroristen des (IS) zugutekommen.

E. K. trat dabei in zwei Wiener Moscheen als einer von zwei Auktionatoren vor den Besuchern auf. Versteigert wurden unter anderem Parfums, Bilder, Uhren und Mobiltelefone. Für ein Smartphone der Marke Samsung Galaxy S4 kamen beispielsweise 400 Euro zusammen. Als Verkaufsschlager erwies sich aber etwas anderes: eine schwarze Jihadflagge, die angeblich von Mohamed Mahmoud gespendet worden war. Der Terrorist aus Wien zog in den Jihad und drohte Österreich mit Terroranschlägen. 2018 soll Mahmoud, der zuvor hierzulande verurteilt worden war, bei einem Luftangriff ums Leben gekommen sein. Die besagte Fahne wurde um 650 Euro versteigert. Warum man das so genau weiß? Es gibt in etwa acht Minuten lange Videoaufnahmen von den Szenerien aus einer der besagten Moscheen.

Deshalb wissen die Ermittler auch, dass E. K. die Fahne hochhielt, während die Besucher "Takbir-Allah uh Akbar" ("Gott ist groß") riefen. Der zweite Auktionator versuchte dann den Kaufanreiz zu steigern, indem er laut Ermittlungsakten darauf hinwies: "Ihr liebt sie, denn wenn ihr wisst, wem sie gehört hat, ... Ebu Usama al Gharib (Predigername von Mohamed Mahmoud, Anm.) hat diese, diese, diese schöne Fahne einem Bruder geschenkt ..." Danach folgten erneut "Takbir-Allah uh Akbar"-Rufe.

"Zu unseren, zu den wahren Werten zurückgefunden"

E. K. wurde bereits 2018 von der Staatsanwaltschaft München verurteilt, weil er als Teil eines Dreierverbunds einige Fahrzeuge erworben haben soll, um sie nach Syrien zu überstellen. Zumindest zwei davon dürften einem jihadistischen Anführer übergeben worden sein. Dafür fasste E. K. eine 22-monatige Strafe aus.

Genau dieses Verfahren zog Anwalt Rast dann für seine Verteidigung heran. Der Akt aus Deutschland bestehe aus zigtausend Seiten, erläuterte er, und die Fahrzeugcausa wiege aus seiner Sicht deutlich schwerer als die Beteiligung E. K.s an der Benefizveranstaltung: "Ich möchte es nicht schmälern oder mindern, aber jeder andere hätte die Fahne in Wien hochhalten können."

Das Wichtigste sei für Rast, dass sein Mandat wieder "zu unseren, zu den wahren Werten" zurückgefunden habe – "und das schon seit langem". So sei vor ein paar Jahren ein Ausreiseverfahren gegen E. K. eingestellt worden, weil er eine positive Entwicklung genommen habe. Rast war es auch wichtig zu betonen, dass der Mann im Anzug und den akkurat gegelten Haaren mit seiner Frau – die keine Muslima sei – in wenigen Wochen ein Kind erwarte. E. K. habe eine schwierige Zeit gehabt, aber die sei nun vorbei.

Am Ende wurde E. K., bei dem unter anderem die Delikte der terroristischen Vereinigung und der Terrorismusfinanzierung im Raum standen, zu einer Strafe von drei Monaten verurteilt – Haft brauche es keine mehr. Nach einer zweijährigen Bewährungszeit wird ihm die Strafe automatisch nachgesehen. Der Richter erklärte die abgemilderte Strafhöhe vor allem mit dem "Wohlverhalten" des Angeklagten in den vergangenen Jahren und seinem Geständnis am Beginn des Prozesses. Auch liege die besagte Benefizveranstaltung mittlerweile viele Jahre zurück. Dennoch wollte der Richter nicht völlig auf eine Strafe verzichten – immer seien die Vorhalte "keine Kleinigkeiten" gewesen. Der Angeklagte nahm das Urteil umgehend an. (Jan Michael Marchart, 3.6.2022)