Italien ist im Jammertal gefangen.

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London/Rom – Die Lage ist schon trostlos genug, doch die Tiefschläge wollen kein Ende nehmen. Seit Italien vor beinahe elf Monaten und nach einer Reihe magischer Nächte Fußball-Europameister wurde, gelingt nichts mehr. Die Qualifikation für die WM: schon zum zweiten Mal in Folge verspielt. Und nun, bei der Generalprobe für den Auftakt in der Nations League am Samstagabend in Bologna gegen Deutschland (20.45 Uhr/RTL): eine historische Abreibung.

In Wembley, der Stätte des großen Triumphs der Italiener, wurde am Dienstagabend die "Finalissima" gespielt, es war das dritte Duell zwischen den Kontinentalmeistern Europas und Südamerikas. Das Ergebnis: Italien 0, Argentinien 3.

"Italien stürzt immer tiefer", klagte die Gazzetta dello Sport, und in der Tat war es eine Demütigung: So hoch wie jetzt gegen Lionel Messi und Kollegen hatte Italien nur 2008 im Halbfinale bei Olympia verloren.

Von allen guten Geistern verlassen

Tatsächlich scheint Italien seit dem Sieg im EM-Finale gegen England (1:1 n.V., 3:2 i.E) von allen guten Geistern verlassen. In den folgenden fünf WM-Qualifikationsspielen gelang lediglich ein Sieg, die Play-off-Partie in Palermo gegen Nordmazedonien (0:1) war ein Deja-vu der grausamen Art. 2017 hatten die Schweden den Italienern in damals noch zwei Entscheidungsspielen den Weg zur WM in Russland versperrt.

Und nicht mal ein Prestigeerfolg mag derzeit gelingen. Die "Finalissima" offenbarte alle Mängel, die Roberto Mancinis Squadra plagen. "In London", schrieb Tuttosport, "dominiert Lionel Messis Argentinien das Spiel und wirft ein Licht auf die derzeitigen Grenzen des italienischen Fußballs und der Nationalmannschaft." Argentinien, tat der Corriere dello Sport entsetzt kund, habe vor allem "absolute technische Überlegenheit" demonstriert.

Das verheißt nichts Gutes, wie auch Giorgio Chiellini (37) schwant. "Den Azzurri steht eine schwierige Zeit bevor, wir müssen alle die Nationalelf unterstützen", sagte der Kapitän, für den die "Finalissima" den wenig würdigen Rahmen zum Abschied aus der Nationalmannschaft bildete. Chiellini wird nach 117 Länderspielen und 425 Einsätzen für Juventus Turin in die nordamerikanische MLS wechseln, zum Los Angeles FC.

Mancini wird bleiben und sich der großen Herausforderung stellen, die Azzurri rundzuerneuern. Und er weiß, worauf er sich einlässt.

"Es wird nicht einfach sein, in kurzer Zeit eine solide Mannschaft aufzubauen, auch wenn wir über gute Spieler verfügen", sagte der 57-Jährige. Am unbedingt erforderlichen Enthusiasmus fehlt es ihm nicht: "Ich liebe meine Arbeit, auch wenn es an schwierigen Momenten nicht mangelt."

Bei den Argentiniern ist die Stimmung erwartungsgemäß prächtig. Knapp ein halbes Jahr vor der WM in Katar gab sich Messi entsprechend selbstbewusst: "Wir nehmen es mit jedem auf", sagte der Kapitän. Wobei auch Deutschland am Samstag feststellen wird, ob Italien derzeit ein Maßstab ist für derlei Prognosen. (sid, 2.6.2022)