In rund drei Vierteln der Fälle war der Täter männlich, die Opfer waren in 70 Prozent der Fälle weiblich.

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Wien – Die Warnrufe waren im Mai 2021 nicht zu überhören: Damals präsentierte die Dokumentationsstelle Politischer Islam die digitale "Islam-Landkarte", eine Übersicht über islamische Vereine und Moscheen in Österreich. Was ein altes Projekt der Uni Wien war, wurde als neue Maßnahme im Kampf gegen den politischen Islam präsentiert. Daraufhin distanzierte sich die Uni Wien von der Karte – ihr Logo kam weg. Angesichts der steigenden Angriffe auf muslimische Gruppen sei eine Karte wie diese "verantwortungslos und kontraproduktiv", kritisierten damals die Grünen neben zahlreichen Expertinnen. Sie sollten recht behalten.

Frauen am meisten betroffen

Darauf lassen zumindest neue Zahlen der Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus (Dokustelle Österreich) schließen: Gerade im Mai und Juni 2021 wurden demnach die meisten antimuslimischen Rassismusfälle im letzten Jahr dokumentiert. Die Dokustelle beobachtete dabei einen Zusammenhang zwischen politischen Ereignissen – siehe Karte und Diskussion rund um den Mord an der 13-jährigen Leonie – und verbaler Gewalt im Internet.

Wie die Dokustelle im Rahmen der Präsentation des alljährlichen Rassismus-Reports mitteilte, waren bei rund drei Vierteln der Fällen die Täter männlich, während knapp 70 Prozent der Opfer Frauen waren. Dass Betroffene hauptsächlich Frauen sind, zeige dass "wir nicht nur ein Rassismus-, sondern auch Sexismusproblem in Österreich haben", sagt Ümmü Selime Türe von der Dokustelle. Zwar wurden pandemiebegingt seitens des Vereins weniger physische Übergriffe dokumentiert. Verschwunden sind sie aber nicht: Übergriffe und Hasstiraden verlagerten sich hauptsächlich ins Netz.

Politiker verantwortlich

Im Vergleich zum Vorjahr (1.402) ging die Zahl 2021 auf hohem Niveau leicht zurück. Dass es deswegen zu weniger Gewalt kam, stellt der Verein in Abrede. "Viele Betroffene fühlen sich von der Politik in ihren Notlagen nicht wahrgenommen", sagt Kollegin Rumeysa Dür-Kwieder von der Dokustelle. Eine restriktive Politik gegenüber Musliminnen gepaart mit Alltagsrassismus würde dazu führen, dass Betroffene Übergriffe immer seltener melden würden. Sie gehen daher von einer weit höheren Dunkelziffer aus.

Auch Politiker selbst sind für zahlreiche Rassismusfälle verantwortlich zu machen: Erstmals wurde in dem diesjährigen Bericht die Gruppe der Täter um diese Gruppe erweitert. Dabei gingen knapp 31 Prozent der verzeichneten Fälle auf Politiker während deren Amtshandlungen zurück. Darunter fallen etwa Aussagen zu den Ausschreitungen zu Silvester in Wien-Favoriten sowie die haltlosen Behauptungen der FPÖ, wonach ein Zusammenhang zwischen Ramadan und dem Anstieg an Corona-Infektionen bestünde. Äußerungen wie diese führen zu einem eklatanten Anstieg an Rassismus-Fällen, hieß es.

"Damit wir antimuslimischem Rassismus entgegenwirken können, müssen wir auch Personen in ihrer politischen Funktion zur Verantwortung ziehen", sagt Ümmü Selime Türe. Die Immunität von politischen Funktionären bei rassistischen Aussagen in ihrer Berufsausübung gehöre daher aufgehoben. Außerdem fordert die Dokustelle die Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, bessere Unterstützung für NGOs und die Einrichtung von unabhängigen Kontrollinstanzen für Exekutive und Sicherheitsdienste. Das Wichtigste sei jedoch, das Phänomen des antimuslimischen Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem anzuerkennen.

Bislang ehrenamtlich

Besorgt zeigte sich indes Faika El-Nagashi, Integrationssprecherin der Grünen, über die im Report dokumentierten Vorfälle: "Leider ist davon auszugehen, dass der Bericht nur die Spitze des Eisbergs abbildet und die Dunkelziffer an rassistischen Vorfällen noch weit höher ist". In einer Aussendung am Mittwoch kündigte sie nun an, dass das Sozialministerium die Förderung der Dokustelle beabsichtige. Damit würde eine wichtige Anerkennung der geleisteten Arbeit der Dokustelle stattfinden, hieß es. Diese kritisiert, dass sie den Großteil der Arbeit derzeit ehrenamtlich leisten. (Elisa Tomaselli, 2.6.2022)