Der Salzburger Erzabt Korbinian Birnbacher wohnt im Herzen der Stadt im denkmalgeschützten Stift St. Peter. Das Wohnen in diesen alten Gemäuern, sagt er, erfordert im Alltag viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit.

"In meinem Bett sind schon meine sieben Vorgänger-Äbte gestorben. Ich finde das Gefühl aber gar nicht unangenehm, denn es zeigt mir, dass wir hier alle zu Besuch sind und unseren Beitrag leisten, um dieses kulturelle Erbe zu pflegen und zu bewahren. Das Bett stammt aus dem 19. Jahrhundert, darüber hängt eine Kopie der Madonna del Granduca von Raffael, die einmal ziemlich wohlfeil im Dorotheum ersteigert wurde. Der Paravent ist ebenfalls sehr alt, war immer schon in St. Peter, wurde in der Zwischenkriegszeit verkauft und konnte vor rund 30 Jahren erfreulicherweise wieder zurückgekauft werden. Und der Fauteuil, in dem ich sitze, ist ein Geschenk einer alten Dame, die ich bis zu ihrem Tod begleitet habe. Das ist jetzt meine Leseecke.

Der Fauteuil ist das Geschenk einer Dame, die der Erzabt bis zu ihrem Tod begleitet hat.
Foto: Dietmar Tollerian

Es ist ein spannender Beruf, den ich habe. Einerseits bin ich Benediktinermönch, führe ein an sich bescheidenes Leben nach den benediktinischen Grundsätzen, andererseits aber bin ich Erzabt von Salzburg, habe ich eine sehr repräsentative Funktion inne, und manchmal, wenn ich mich vor einem Pontifikalamt in der Sakristei im Spiegel betrachte, habe ich das Gefühl, ein Kostüm zu tragen, gleich kommt mein Auftritt, große Oper!

Spannend finde ich, dass das mediale Interesse an uns Mönchen und Geistlichen nach wie vor ungebrochen ist. Vor allem auch jetzt zu Pfingsten. Es gibt unzählige Interview-Anfragen, und ich kann mich nicht einmal zivil in Jeans und Pullover unbemerkt durch Salzburg bewegen, ohne sofort erkannt zu werden, da kann man Gift drauf nehmen. Das zeigt mir aber auch, dass es diese Rolle in der Gesellschaft offenbar braucht. Ich bin eine Art verkörperter Sehnsuchtsort. Aber es ist, um ehrlich zu sein, auch ein Amt, das seinen Preis fordert: Fans hat man viele, Freunde nur wenige.

"Das Haus hat etwas Museales und schreibt allein aufgrund dessen, wie viel Erbe und wie viele Werte hier schlummern, ein bestimmtes Verhalten vor", sagt Erzabt Korbinian Birnbacher über seine Wohnung im Stift St. Peter.
Fotos: Dietmar Tollerian

Überhaupt ist es so, dass man in diesen alten Gemäuern selten nur man selbst ist, ich bin selten einfach nur der Korbinian. Das Haus hat etwas Museales und schreibt allein aufgrund dessen, wie viel Erbe und wie viele Werte hier schlummern, ein bestimmtes Verhalten vor. Das Stift St. Peter wurde 696 vom heiligen Rupert gegründet und ist das einzige Kloster im deutschsprachigen Raum mit einer so langen, durchgehenden Geschichte. Die heutige Stiftskirche stammt zu zwei Dritteln noch aus der vorkarolingischen Zeit und wurde im Laufe der Jahrhunderte kontinuierlich ausgebaut. Das muss man sich einmal vorstellen!

Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel sogar, dass alle Werkzeuge dieses Klosters wie heiliges Altargerät zu behandeln sind. Das allein ist schon pars pro toto und zeigt, welcher Sorgfalt und Achtsamkeit es bedarf, hier zu Hause sein zu dürfen. Ich werfe mich selten mit Schwung und Wucht ins Bett, denn meine Aufgabe ist es, die Möbel zu pflegen und zu erhalten. Zum Glück bin ich ausgebildeter Historiker, das deckt sich also mit meinen beruflichen Grundprinzipien. Ich bin hier nur Gast, der eigentliche Hausherr ist Jesus Christus, und der soll’s schön haben.

Foto: Dietmar Tollerian

Aber ganz ehrlich: Manchmal geht auch mir der ganze historische Krempel hier auf den Zeiger. Wenn ich’s mal richtig bequem haben will, dann gehe ich wandern oder mache eine Skitour und haue mich am Abend bequem aufs Sofa. Man kann nicht immer nur die Form wahren und theologische und philosophische Werke lesen, man muss auch mal loslassen können. Mein Loslassen findet im Urlaub statt.

Fotos: Dietmar Tollerian

Ich verrate Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis: Ich bin ja leidenschaftlicher Tagebuchschreiber, und ich weiß jetzt schon: Eines fernen Tages wird dieses Tagebuch, sobald es jemand gelesen haben wird, meine Heiligsprechung verhindern. Aber das macht nichts, damit kann ich leben, ich bin ja ohnehin ein methodischer Pessimist. Doch die optimistische Minderheit meines Charakters wünscht sich, dass ich eines Tages mit einem Lächeln und mit viel Heiterkeit mein Amt und mein Bett übergeben werde. Dann soll hier jemand anderer leben und sterben." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 4.6.2022)