Sehen so Gewinner aus?

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"Mein Herz ist gebrochen, weil selbst der Berg an Beweisen nicht ausreichte, um gegen die unverhältnismäßige Macht und den Einfluss meines Ex-Mannes anzukämpfen." Vor allem sei Amber Heard, so schreibt sie in einem offiziellen Statement nach Prozess-Ende, enttäuscht, weil das Urteil auch ein Schlag ins Gesicht vieler Frauen sei. Genau diese Frauen zeigen sich im Netz größtenteils aber nicht auf der Seite von Heard – so wie das Netz die letzten Wochen schon nicht auf der Seite der Schauspielerin stand.

"Danke für nichts #AmberHeard, kämpfe bitte nie wieder für 'uns'", schrieb nach der Urteilsverkündung eine Twitter-Nutzerin. Ihr Kommentar ist stellvertretend für einen Trend, der die letzten Wochen den Prozess begleitet hat. Amber Heard hätte das "Vertrauen in tatsächlich Betroffene nachhaltig geschwächt", ist online zu lesen. Die Schauspielerin hätte auf die "#MeToo-Welle aufspringen" und die Karriere von Depp zerstören wollen.

Auch viele Zeitungsberichte zeigten immer wieder das verheulte oder zornige Gesicht Heards. Depp hingegen war immer der coole Schauspieler, der sich nicht aus der Reserve locken ließ. Seine Bilder waren stets weiter unten im Artikel, schließlich braucht man Emotionen, um zu emotionalisieren.

Und Emotionen waren es, die das Netz in diesen Wochen prägten. Vor allem offene Missgunst und Hass gegenüber Heard. Ein prominentes Beispiel war das viral gehende Video von Heards Satz "My dog stepped on a bee", "mein Hund trat auf eine Biene". Dieser kurze Ausschnitt wurde sofort in ein weltweites Meme verwandelt, angefangen vom angespannten Gesichtsausdruck bis hin zur Aussprache. Klar, im Netz ist man gerne witzig und Teil einer Bewegung, vor allem wenn es "trendet".

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Nur selten werfen Nutzerinnen dem Netz Misogynie vor und beschweren sich über die Verbrüderung von Frauen, die sich an die Seite von "Incels und Hatern der Gamergate-Ecke" freuen. Andere sehen nach dem Prozess den "reichen Mann", der es sich richten könne. Es sind aufgrund der letzten Wochen aber wenige, die so denken und darüber sprechen.

So richtig witzig will das Netz über die ganzen Wochen nicht werden. Klar, es gibt die schnell gepinselten Memes, mit überspitzten Aussagen der Beteiligten, oder auch mit Einspielern von Schauspierinnen wird versucht, trotz aller Tragik lustig zu sein. Aber vielen ist offenbar klar, dass dieser Prozess keine wirklichen Gewinner sehen wird. Die Karriere von Heard wird nach diesem Prozess mit Sicherheit zu Ende sein. Ihre Rolle in "Aquaman 2" wurde bereits gekürzt und wird jetzt wohl zur Gänze gestrichen. Auch für Depp sind auf der Film-Plattform "IMDb" aktuell keine Projekte gelistet – was sich aber wohl zumindest nach ein paar Monaten ändern wird. Die #MeToo-Bewegung sieht sich in zahlreichen Postings ebenfalls als Verlierer dieses öffentlichen Rosenkrieges. Die Gräben seien nach diesem Prozessgrößer als zuvor, so der Tenor.

Am Ende des Prozesses waren alle Beteiligten sichtlich gezeichnet. So sagte die Richterin beim Verlassen des Gerichtssaals zu den Anwesenden: "Danke für Ihre Professionalität! Sie sind mir jederzeit wieder in meinem Gerichtssaal willkommen – nur geben Sie mir bitte ein paar Wochen!" Zumindest sie hatte offenbar ihren Sinn für Humor noch nicht ganz verloren. (red, 2.6.2022)