Ein Foto aus glücklicheren Zeiten.

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Sieben Wochen lang kam die Welt in den zweifelhaften Genuss, tiefe Einblicke in die toxische, 15 Monate lange Ehe zwischen Amber Heard und Johnny Depp zu erhalten. Sieben Wochen im Gerichtssaal in Fairfax in Virginia, von denen vor allem Kot im Ehebett, eine abgetrennte Fingerspitze und wüste Beschimpfungen in Erinnerung bleiben. All das wurde live ins Internet gestreamt – hatte dies doch die Richterin erlaubt.

Die sieben Geschworenen setzten diesem globalen Schauspiel am Mittwoch ein Ende. Und sie entschieden so, wie die Mehrheit in den sozialen Medien es für richtig erachtete, die sich dort mit dem Hashtag #JusticeForJohnnyDepp hinter den Fluch der Karibik-Star stellte. Heard wurde wegen Verleumdung schuldig gesprochen und dazu verurteilt, ihrem Ex-Mann 10,35 Millionen US-Dollar (9,7 Millionen Euro) zu zahlen. Ursprünglich hatte Depp sie auf 50 Millionen Dollar verklagt. In Zivilprozessen dieser Art ist es zudem leicht möglich, dass die Summe in einem möglichen Berufungsverfahren deutlich reduziert wird.

Strafe auch für Depp

Auch umgekehrt kam es zu einer Verurteilung: Depp muss seiner Ex-Frau zwei Millionen Dollar wegen Verleumdung zahlen. Das ändert aber nichts daran, dass Depp als strahlender Sieger dieses Schmutzwäscheprozesses gilt – und Amber Heard als böse Verleumderin.

"Diese Jury hat mir mein Leben zurückgegeben", teilte Depp nach dem Urteil mit. "Das Ziel, diesen Prozess voranzubringen, war von Anfang an, die Wahrheit ans Licht zu bringen – egal, wie es ausgehen würde. Die Wahrheit zu sagen war etwas, was ich meinen Kindern und all denjenigen, die mich immer unterstützt haben, geschuldet habe. Jetzt, wo ich das geschafft habe, fühle ich einen inneren Frieden in mir."

"Rückschritt" für Frauen

Heard hingegen war am Boden zerstört. "Die Enttäuschung, die ich heute fühle, kann man nicht in Worte fassen", twitterte sie. Dass die Jury ihr trotz eines "Bergs an Beweisen" größtenteils nicht geglaubt habe, breche ihr Herz. Zudem sehe sie das Urteil als einen "Rückschritt" für andere Frauen in ähnlicher Situation. "Ich bin traurig, dass ich den Prozess verloren habe. Aber ich bin noch trauriger, dass ich anscheinend ein Recht verloren habe, von dem ich davon ausgegangen war, dass ich es als Amerikanerin habe – frei und offen zu sprechen."

Der Prozess wird von vielen als Niederlage für die #MeToo-Bewegung gewertet, manche im Netz rufen bereits ihr Ende aus und läuten den Beginn der #MenToo-Bewegung ein. Grund für Depps Verleumdungsklage war ein Gastkommentar Heards in der Washington Post im Dezember 2018. In dem Text mit dem Titel Ich habe mich gegen sexuelle Gewalt ausgesprochen – und mich dem Zorn unserer Kultur gestellt. Das muss sich ändern spricht sie von sich selbst als "Berühmtheit, die häusliche Gewalt erlebt hat".

Niedrigere Hürden für Klage

Depps Name wird dabei nicht erwähnt, dennoch behauptete er, Heards Aussagen über häusliche Gewalt seien erfunden und hätten dafür gesorgt, dass ihm lukrative Rollen durch die Lappen gegangen seien. Seine Anwälte argumentierten mit Erfolg, dass der Zivilprozess in Virginia stattfinden sollte, weil die Washington Post dort gedruckt wird. In diesem US-Bundesstaat gibt es für die Einreichung solcher Klagen niedrigere Hürden als etwa in Kalifornien, wo sowohl Heard als auch Depp ihren Wohnsitz haben.

Bereits 2018 klagte Depp die britische Boulevardzeitung The Sun wegen Verleumdung, weil er in einem ihrer Artikel als "wifebeater" ("Frauenschläger") bezeichnet wurde. Ein Londoner Gericht wies die Klage unter anderem mit der Begründung ab, Amber Heard sei "das Opfer anhaltender und mehrfacher Angriffe" Depps gewesen. Andere Länder, andere Urteile. (Kim Son Hoang, 2.6.2022)