Andere Parteien haben Vorfeldorganisationen, die ÖVP hat Bünde. Die ÖVP an sich ist nichts, die Bünde sind alles. Die Bünde sind gewissermaßen der ganze Stolz der ÖVP, weil sie es ihr ermöglichen sollen, zielgruppenorientiert auf die Seelen der Wählerinnen und Wähler zuzugreifen. Ausschließlich zu deren Wohl, was sonst.
Ein Versuch von Sebastian Kurz, sich als Inkarnation einer von Schwarz ins Türkise erbleichten ÖVP an sich über die Bünde zu erheben, ist ebenso gescheitert wie seine Vorspiegelung eines gezähmten innerparteilichen Föderalismus. Kaum ist er weg, machen die Bünde wieder von sich reden, wobei der Vorarlberger Wirtschaftsbund und der oberösterreichische Seniorenbund ins Rampenlicht drängten.
Haben die Bünde oder die ÖVP ein Korruptionsproblem?
Der eine Bund hat Anzeigen, die seinem Vereinsblatt aufgedrängt wurden, nicht versteuert, sondern statt an die Finanz der Landespartei zugeleitet, und das hinter dem Rücken des Landeshauptmanns, der von allem nichts wusste, weil er kein Inseratenkeiler ist. Der andere Bund hat Hilfsgelder aus dem Covid-Topf eingenommen, was verboten ist, aber er hat es sich herausgenommen, weil er das nicht nur als Seniorenbund, sondern in der Hypostase als "Verein Seniorenbund" erledigte.
Ganz so hat es Vereinsobmann Josef Pühringer nicht formuliert, aber er hat damit eine tiefergehende Frage zum Wesen der Volkspartei und ihrer Bünde aufgeworfen. Wenn nach Parteiobmann Karl Nehammer die ÖVP kein Korruptionsproblem hat, ihre Bünde aber schon, interessiert den Wähler natürlich die Auflösung dieses Widerspruchs: Liegt in diesem Fall nur Wesensähnlichkeit oder gar Wesensgleichheit von Partei als Ideal und ihren Bünden in der Realität vor?
Die katholische Kirche – fast genau 1700 Jahre ist es her – hat dieses Problem, die Rolle Christi in der Heiligen Dreifaltigkeit betreffend, für sich gelöst. Da stünde es einer christlichen Partei, die den Heiligen Martin auf ihrem Parteitag als Glaubenszeugen vorführt, wohl an, auch endlich einmal reinen Tisch zu machen.
Falsche Herangehensweise
Die Methode, mit der Beamte unter Druck gesetzt wurden, denen man ÖVP-schädigendes Arbeiten durch Verletzung des Amtsgeheimnisses unterstellte, dürfte dafür kaum geeignet sein. Was einer von ihnen Mittwoch im Untersuchungsausschuss schwer betroffen von dem enormen Druck berichtete, dem er und seine Mitarbeiter ausgesetzt wurden, nachdem 2017 Steuerdaten des KTM-Milliardärs und ÖVP-Großspenders an die Öffentlichkeit gelangt waren, beschrieb einen vielleicht größeren Skandal, als es eine Steuerhinterziehung sein mag. Bei der Jagd nach dem Leak schreckten die Oberen im Finanzministerium – Minister Schelling und sein Nachfolger Müller – vor einigen Grenzüberschreitungen nicht zurück, die Datenschutzbehörde stellte Rechtswidrigkeit fest. Ein Disziplinarakt wuchs auf 8000 Seiten. "Da hat man gemerkt, was politisch in die Gänge gesetzt wurde." Da galt es, "den Täter, die Sau, zu finden" – herausgekommen ist letztlich gar nichts. Eine Entschuldigung gab es, nicht von oben, sondern von Kai Jan Krainer, dem SPÖ-Abgeordneten, der die Liste der Steuerabschleicher anderswoher hatte.
Wenn ein Hanger (VP) sogar Fragen unterdrücken möchte, die ein Wallner (VP) willig beantwortet, taucht die nächste auf: Wesensähnlich oder wesensgleich? (Günter Traxler, 3.6.2022)