Der frühere Generaldirektor der OMV, Rainer Seele, sieht sich mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert. Kleinaktionäre wollen ihm bei der Hauptversammlung am Freitag die Entlastung versagen.

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Wien – Die Aktionäre der OMV, die in der Hauptversammlung heute, Freitag, bei Tagesordnungspunkt drei über die "Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2021" abstimmen werden, bekommen neuen Zündstoff. Ein Gutachten, das die Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit einem Sideletter zugunsten des früheren OMV-Compliance-Chefs Robert Eichler erhärten sollte, ist unter falscher Prämisse zustande gekommen.

Susanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien, die mit ihrem Rechtskollegen Franz Marhold das 23-seitige Gutachten 2021 im Auftrag von Ex-OMV-Chef Rainer Seele kurz vor dessen Abgang erstellt hat, sagte dem STANDARD: "Uns sind entscheidende Informationen vorenthalten worden." Auch wenn Seele zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzender des Vorstands war – "er kann das nicht allein machen, er muss den gesamten Vorstand damit befassen", sagte Kalss. "Das ist das entscheidende Kriterium. Genau das ist aber nicht geschehen."

Angst vor Strafaktion

Von Zweifeln am Gutachten hat als erstes Magazin Dossier berichtet. Im August 2020 hatte Seele dem Leiter der Konzern-Compliance Eichler still und leise einen für die OMV letztlich kostspieligen Sideletter zu dessen Vertrag genehmigt. Eichler, der in seiner damaligen Funktion die Rechtskonformität aller Prozesse und Geschäftsabläufe im Unternehmen verantwortet hat, wurde darin ein Kündigungsverzicht bis 2023 bzw. eine hohe Überbrückungszahlung im Fall einer Kündigung garantiert. Dem Vernehmen nach fürchtete Eichler Strafaktionen, sollte Seele eines Tages nicht mehr seine schützende Hand über ihn halten. Grund waren u. a. Ermittlungen gegen ein Vorstandsmitglied wegen dessen Überstundenabrechnung.

Der OMV-Aufsichtsrat hat den Sideletter auf Basis des Kalss/Marhold-Gutachtens genehmigt. Die Höhe der Überbrückungszahlung, die mit dem vorzeitigen Abgang von Eichler tatsächlich schlagend geworden ist, dürfte sich auf ein bis zwei Millionen Euro belaufen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Ergebnisse einer weiteren Untersuchung stehen aus

Unter anderem zu dem Punkt hat OMV-Aufsichtsratschef Mark Garrett bereits im Februar die renommierte Münchner Anwaltskanzlei Gleiss Lutz mit einer Prüfung beauftragt. Ergebnisse stehen noch aus. Der Interessenverband für Anleger (IVA) hat bereits angekündigt, bei der OMV- Hauptversammlung am Freitag Seele die Entlastung zu verweigern, bis alle Unklarheiten beseitigt sind.

"Ich habe Vertrauen in die bisherige Arbeit des Aufsichtsrates, der eine Prüfung eingeleitet hat. Diese läuft noch. Ich bin überzeugt, dass diese umfassend durchgeführt wird und die angesprochenen Themen entsprechend aufgearbeitet werden," sagte Edith Hlawati, Chefin der Beteiligungsholding Öbag, dem STANDARD. "Auf Basis des Ergebnisses wird man Entscheidungen treffen."

Die Öbag verwaltet die 31,5 Prozent, die die Republik Österreich an der OMV hält. Hlawati ist für den Aufsichtsrat der OMV nominiert. (Günther Strobl, 3.6.2022)