Die neue "First Mum" Imelda Marcos in ihrem Wohnzimmer mit dem seit Jahren von den philippinischen Behörden gesuchten "Picasso" an der Wand.

Screenshot: STANDARD / Screenshot "The Kingmaker"-Trailer

Mit der Moral ist es auf dem internationalen Kunstmarkt gelegentlich nicht sonderlich weit her. Geschäfte mit Diktatoren und anverwandten Kleptokraten? Kein Pro blem, wie ein exemplarischer Fall zeigt, der durch den jüngst zum neuen Präsidenten der Philippinen gewählten Sohn des einst autokratisch herrschenden Despoten an Aktualität gewinnt.

Auch wenn Ferdinand "Bongbong" Junior seine politische Laufbahn dazu nutzte, die Geschichte seiner Familie umzuschreiben, steht Marcos bis heute synonym für eine skrupellose, mörderische und korrupte Diktatur. In den mehr als 20 Jahren seiner Herrschaft hat Vater Marcos ein Milliardenvermögen an sich gerafft, das nicht nur den luxuriösen Lebensstil der Familie, sondern auch Immobilien in Manhattan und Long Island finanzierte oder auf geheimen Schweizer Bankkonten schlummerte.

Juwelen in Wegwerfwindeln

Die Juwelen nicht zu vergessen, die Ehefrau Imelda nach der Revolution 1986 in Wegwerfwindeln versteckt ins Exil begleiten sollten, jedoch vom US-Zoll beschlagnahmt wurden. Ihr Wert lag bei kolportierten 21 Millionen Dollar, jener der Kunstsammlung belief sich auf ein Vielfaches, zumindest den einst dafür bezahlten Kaufpreisen nach.

Aus der Sicht der ursprünglichen Nachfolgeregierung und auf Basis der Urteile des Obersten Gerichtshofs des Landes handelte es sich um unrechtmäßig angehäufte Reichtümer. Über die Jahre hat sich eine eigens eingerichtete Behörde, die Presidential Commission on Good Government (PCCG), damit befasst, das illegale Vermögen der Familie aufzuspüren und es namens des Finanzministeriums zugunsten des Volkes zu liquidieren.

Der Hälfte der auf mehr als zehn Milliarden Dollar geschätzten Vermögenswerte wurde man habhaft. Auch der Juwelen, die von der Regierung längst beschlagnahmt, jedoch bislang noch nicht verwertet wurden und angesichts des neuen Staatschefs wohl auch nicht mehr werden. Vielmehr wird die PCCG wohl schnell Geschichte sein und sich damit auch die Fahndung nach den Kunstwerken erübrigen.

"Wenn Diktatoren sammeln"

Stefan Koldehoff, Tobias Timm, "Kunst und Verbrechen". 25,70 Euro / 328 Seiten. Verlag Galiani Berlin, 2020

Der facettenreichen Genese dieser Sammlung widmeten Tobias Timm und Stefan Koldehoff in ihrem 2020 erschienenen Buch Kunst und Verbrechen ein Kapitel unter dem Titel "Wenn Diktatoren sammeln". Die Hauptrolle spielte die ehemalige First Lady der Philippinen. In diversen Nebenrollen haben renommierte Auktionshäuser wie Sotheby’s und neben fragwürdigen Kunsthändlern auch namhafte wie Marlborough oder Knoedler aus New York lukrative Auftritte.

So ist im Herbst 1981 eine bei So theby’s anberaumte Versteigerung der Sammlung des verstorbenen Einkaufszentren-Milliardärs und Philanthropen Leslie R. Samuels kurzfristig abgesagt worden. Eine unbekannte Sammlerin habe den gesamten Bestand an englischen Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts sowie Mobiliar und Keramik en bloc erworben, wie das Auktionshaus informierte. Als Käuferin gab sich kurz darauf Imelda Marcos zu erkennen, die dafür knapp sechs Millionen Dollar hingeblättert haben soll.

Werke der Klassischen Moderne, darunter Arbeiten von Paul Gauguin, Camille Pissarro, Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir, kaufte Familie Marcos bevorzugt bei Hammer Galleries in New York, die 1928 von ihrem Freund Armand Hammer gegründet worden war. Der langjährige CEO der US-amerikanischen Ölgesellschaft Occidental Petroleum war auch für seine guten Verbindungen zur Sowjetunion bekannt – seine Moskauer Wohnung galt phasenweise als inoffizielle Botschaft der USA.

Lieferungen im Privatjet

Seine nebenher betriebene Galerie war anfänglich auf russische Ikonen und Kunsthandwerk spezialisiert, hat das Programm aber im Laufe der Jahre erweitert. Den Marcos wurden die 77 Ankäufe teils mit Hammers Privatflugzeug auf die Philippinen geliefert. Darunter auch solche aus dem Warenbestand der Knoedler Gallery, die Hammer 1971 erworben hatte.

Von Kunst verstand Imelda Marcos allerdings nicht sonderlich viel und wurde, wie die beiden Buchautoren beschreiben, von manchen Händlern und Vermittlern übers Ohr gehauen. Vor allem die Echtheit vieler Altmeistergemälde wird von Experten angezweifelt. Etwa im Falle eines vermeintlichen Gemäldes von Michelangelo und einer Reihe weiterer, als jüngere Kopien nach alten Vorbildern entlarvter Bilder, die den Marcos von italienischen Kunsthändlern angedreht worden waren, wie die New York Times erstmals im April 1986 berichtete.

Zwei Monate zuvor waren die Marcos aus Manila geflüchtet und die auf mehrere Wohnsitze verteilten Kunstwerke in Kisten verpackt und abtransportiert worden. Die zugehörigen Rechnungen und andere Dokumente fanden die philippinischen Behörden in der Residenz des Ehepaars, dem Malacañan-Palast in Manila. Hinweise, die der PCCG-Behörde bei der Rekonstruktion der Sammlung und der Suche danach halfen.

Verschwundener "Picasso"

Einige Werke fanden sich, etwa in Frankreich, auf der Yacht und in einem Penthouse des saudischen Waffenhändlers Adnan Mohammed Kashoggi. 1988 und 1991 ließ die philippinische Regierung alles bis dahin Aufgefundene bei Christie’s in New York versteigern. Anderes gilt bis heute offiziell als verschollen, darunter 15 Gemälde, mit denen sich Imelda Marcos seit ihrer Rückkehr in ihre Heimat völlig ungeniert umgibt.

Movieclips Indie

Dazu gehört Liegende Frau VI, die von Pablo Picasso sein soll und 1971 bei der Marlborough Gallery erworben wurde. Laut einem Etikett auf der Rückseite des Bildes handelt es sich um eine "Homage to Picasso" und damit wohl um das Werk eines unbekannten Epigonen. Dennoch war die Aufregung jetzt groß, als das Bild in einem Fernsehbericht über den Besuch des frisch gewählten Staatsoberhauptes bei seiner Mutter an der Wand ihres Wohnzimmers im Hintergrund erkennbar war. So wie schon 2019 in einer Sequenz der Filmdokumentation The Kingmaker dokumentiert, die Imeldas Werdegang beleuchtete. Damals ordneten die Behörden eine Beschlagnahme an, jedoch soll das Bild plötzlich nicht mehr auffindbar gewesen sein. (Olga Kronsteiner, 5.6.2022)