Eine Kinderbuchlesung der Wiener Dragqueen Candy Licious sorgt in rechtsradikalen Kreisen für Aufruhr. In der Nacht auf Freitag wurde schließlich der Eingang der Bücherei Mariahilf, in der der Event im Rahmen des Pride-Monats am Freitagnachmittag stattfinden sollte, zugemauert. Die rot-weiß-rote Mauer, die über Nacht aufgestellt wurde, trug die Aufschrift "#NoPrideMonth". Auf einen rechtsradikalen Hintergrund verweisen auch Flugblätter, die dort verstreut wurden. Die rechtsextreme Identitäre Bewegung bekannte sich später dazu und teilte ein Bild der Vorbereitung auf die Störaktion auf Instagram.

Foto: Markus Sulzbacher

Die Mauer vor der Bücherei wurde bald darauf beseitigt, berichtete ein Sprecher der Büchereien. Die Steine seien mit PU-Schaum zusammengeklebt worden. Auf den Flugblättern, die dort zu finden waren, wurde gegen die "staatsfinanzierte Globohomo-Ideologie" gewettert. Da die Kinderbuchlesung im Rahmen des Pride-Monats erfolgt, wurde auch eine "Frühsexualisierung" beklagt.

Seit Tagen mobilisieren rechte Influencer auf Telegram gegen die Veranstaltung. Sie riefen unter anderem dazu auf, "zahlreich" vor Ort zu erscheinen und "mögliche sexuelle Straftaten zu dokumentieren und kritische Fragen zu stellen". Am Freitag bewachten schließlich mehrere Polizistinnen und Polizisten die Veranstaltung. Einige wenige Personen waren dem Aufruf gefolgt. Letztlich durften nur Personen mit Kindern die Bücherei betreten. Auch Fans von Candy Licious waren vor Ort. Dabei wurde eine Person festgenommen, die Hintergründe sind noch unklar.

Der Pride Month ist auf sozialen Netzwerken vermehrt zum Hassthema rechter Gruppen geworden. So teilte die FPÖ-Jugend in Tirol eine Illustration, die zeigt, wie die Pride-Fahne in den Müll geworfen wird – mit dem Bildtext "Zurück zur Normalität: Patriotenmonat statt Pride Month". Das rechtsextreme Magazin "Info-Direkt", das früher ehemaligen FPÖ-Mitarbeitern gehörte, postete das Bild einer heterosexuellen, blonden, blauäugigen Familie mit dem Hashtag "Pride".

Gegenüber der "Krone" zeigte sich Candy Licious über die Mauer betroffen und rief zu einem gemeinsamen Miteinander auf: "Ich möchte nicht, dass noch mehr Hass entsteht." Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) befand: "Diese Tat ist bestürzend, macht fassungslos und ist zutiefst zu verurteilen. Es ist unsere Aufgabe, für die Vielfalt in unserer weltoffenen Stadt tagtäglich einzustehen. Volle Solidarität mit der gesamten LGBTIQ-Community!"

Foto: Markus Sulzbacher

Katharina Kacerovsky-Strobl, die Organisatorin der Vienna Pride, dankte den Behörden im Vorfeld für die Zusammenarbeit: "Dank Ihrer professionellen Einschätzung und schnellen Hilfe sowie dank der Bibliothek, die die Mauer gleich wieder entfernen ließ, kann die Lesung wie geplant und ohne Sorgen stattfinden."

Ann-Sophie Otte, die Obfrau der Hosi Wien, hob hervor: "Aktionen wie diese zeigen, wieso Vienna Pride und die Regenbogenparade als größte Demonstration Österreichs immer noch nötig sind. Es geht heute mehr denn je um Aufklärung und Dialog, damit LGBTIQ-Menschen in unserer Gesellschaft endlich mit dem gleichen Respekt behandelt werden wie alle anderen auch. Wer diesen Dialog verhindern will, setzt sich selbst ins Unrecht."

"Keinen Millimeter zurückweichen"

"Es ist völlig unverständlich, dass das passieren konnte. Sowohl die Polizei als auch der Verfassungsschutz waren seit Wochen informiert, dass reaktionäre und rechtsextreme Gruppen in großem Stil gegen die Pride mobilisieren", zeigte sich die Sprecherin für LGBTIQ und Menschenrechte der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, verärgert. Die Community solle in Angst versetzt werden. Die "unerträgliche Gefährdungslage" in Ländern wie Ungarn oder Polen greife nun auch auf Österreich über. Das müsse verhindert werden. Man werde vor "Ewiggestrigen und Reaktionären" keinen Millimeter zurückweichen.

Schockiert zeigte sich auch SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner. "Wir warnen seit Jahren, dass die Zahl von Angriffen auf die LGBTIQ-Community steigt. Dieser neue Vorfall zeigt einmal mehr, dass sich eine kleine Minderheit mit widerlichem Hass gegen die Vielfalt in unserem Land richtet." Das könne die Politik nicht durchgehen lassen, betonte er in einer Aussendung. Er forderte ein koordiniertes Vorgehen auf Bundesebene gegen derartige Störaktionen. Denn eine solche bei einer Veranstaltung mit Kindern sei "kein Kavaliersdelikt".

Von der FPÖ kam via Aussendung ebenfalls Kritik – allerdings an der Lesung. Die "Sexualisierungspropaganda" für kleine Kinder sei "klar abzulehnen", befand der Mariahilfer Bezirksparteiobmann Leo Kohlbauer. Es sei nicht zu akzeptieren, dass Kinder mit öffentlich finanzierter "Globohomo-Ideologie" indoktriniert würden. (muz, APA, 3.6.2022)