Diese Darstellung eines angreifenden Reiters auf einem arabisch beschriebenen Papyrus kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Figurendarstellungen im frühen Islam zulässig waren.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Wien – Geschichte wird im Nach hinein von den Siegern geschrieben, auch im Fall des alten Ägypten. Der offiziellen Historie, die aus einigen Hundert Jahren Abstand auf jene Zeit zurückblickt, in der die Araber das Land am Nil eroberten, stellt das Papyrusmuseum nun aber viele kleine Texte entgegen. Sie drängen sich als Sonderschau Halbmond über dem Nil in der Dauerausstellung. Der Clou: Sie alle stammen "live" aus der Zeit des Umbruchs um 643 n. Chr.

Binnen Jahrzehnten breitete sich das arabische Reich damals über Nordafrika aus. Laut ÖNB-Direktorin Johanna Rachinger verwahrt ihr Haus zu der Epoche die bedeutendste und umfangreichste Sammlung von Papyri, erst in den letzten Jahren konnte sie erforscht werden. Die Exponate legen nahe, dass die kriegerische Auseinandersetzung langwieriger war als später dargestellt. Große politische Geschehnisse sind in ihnen aber nicht direkt Thema, sie reflektieren sich in Zeugnissen des alltäglichen Lebens.

65 Schafe für die Armee

Ausgestellt ist etwa eine Liste mit den Baumaterialien für die 643 neu gebaute arabische Hauptstadt al-Fustat südlich des heutigen Kairo. Ein Papyrus meldet den Erhalt von 65 Schafen für die arabische Armee. Die Tiere dienten der Versorgung der Soldaten, das Schriftstück dokumentiert damit, dass die arabischen Militärs für ihre Verpflegung die bestehenden byzantinischen Verwaltungsstrukturen nutzten.

Es ist kein abrupter Wechsel, sondern ein Wandel über Generationen. Griechisch blieb noch 150 Jahre Verkehrssprache, erst allmählich setzte arabische Zuwanderung ein. Beamtenkorrespondenz zeigt die Nervosität der Verwaltung ob der neuen Herrscher. Ja, optisch sind die braunen Papyri bald monoton. Die 110 Stücke erzählen aber lauter Minigeschichten, die beiläufig notiert authentisch Zeugnis von einem Ereignis kolossaler Bedeutung abgeben. (wurm, 3.6.2022)