Ein rein weibliches Ensemble prägt die Verfilmung "Mädchen in Uniform" aus dem Jahre 1958. Unter anderem darin zu sehen: Romy Schneider, Lilli Palmer und Therese Giese.

Filmarchiv Austria

Ein Kinobesuch Anfang der 1960er-Jahre war für die junge Frau der Augenöffner. Sie war gemeinsam mit ihrem Freund in Infam, worin zwei Lehrerinnen, gespielt von Audrey Hepburn und Shirley MacLaine, als Lesben denunziert werden. Dass der Film tragisch endet, wühlte sie außergewöhnlich auf. Mit dem Freund war dann auch an demselben Abend Schluss.

Diese Geschichte erzählt eine der drei Zeitzeuginnen in Verliebt, Verzopft, Verwegen, dem Eröffnungsfilm der ersten Filmschau zum queeren Film Österreichs. Die Regisseurinnen Katharina Lampert und Cordula Thym begeben sich in ihrer Dokumentation auf eine Suche nach den Spuren der Lebensrealitäten lesbischer Frauen im Wien der 1950er- und 1960er-Jahre.

ianthym

Unheimlich verzopft sei Wien in diesen zwanzig Jahren gewesen, bevor 1971 die Strafbarkeit von Homosexualität abgeschafft wurde, meint eine andere Protagonistin. Scheinehen unter Schwulen und Lesben waren an der Tagesordnung. Nur unter dem Radar gab es Möglichkeiten für Homosexuelle, einander zu begegnen.

Zahlreiche Dokus

Queer Cinema made in Austria ist noch bis 19. Juni im Metrokino-Kulturhaus zu sehen und setzt großteils auf zeitgenössische Dokumentararbeiten zu aktuellen und vergangenen Lebensrealitäten der LGBTQI+-Gemeinschaft in Wien: Femme Brutal etwa begibt sich in einen widerständigen Burlesqueclub, Der Papst ist kein Jeansboy widmet sich dem schwulem Talkshowhost Hermes Phettberg und FtWTF – Female to What The Fuck, In Between sowie Tintenfischalarm porträtieren trans, nichtbinäre und intersexuelle Persönlichkeiten.

W-film Distribution

Vereinzelte zeitgenössische Spielfilme, Blutsfreundschaft mit Helmut Berger oder Siebzehn von Monja Art, und (Kurz-)Filme mit queeren Thematiken aus der österreichischen Filmgeschichte vervollständigen das Programm, das erst den Beginn der Auseinandersetzung mit dem queeren Filmschaffen in Österreich bildet. Der früheste Film ist Mysterium des Geschlechts aus dem Jahr 1933, worin "sexuelle Abnormitäten" und reproduktionsmedizinische Eingriffe in abschreckender Absicht ausgestellt wurden.

Kritisch eingeführt wird der sogenannte Hygienefilm von Andreas Brunner, dem Co-Leiter des Zentrums für queere Geschichte Wiens.

Viele Gäste

Der Historiker Andreas Brunner ist nur einer der zahlreichen Gäste, die sich das Filmarchiv Austria an die Seite geholt hat, um die gut dreißig Filme zu kontextualisieren und einzuführen, außerdem steht er in Publikumsgesprächen Rede und Antwort. Hinzu kommt mit "Queertactics" ein Abend, der dem aktuellen queer-feministischen Kurzfilmschaffen gewidmet ist – mit anschließender Preisvergabe der Goldenen Medusa.

alleskino

Auf klassische Starpower trifft man in der 1958er-Verfilmung Mädchen in Uniform. Romy Schneider, Lilli Palmer und Therese Giehse mimen in einem rein weiblichen Ensemble verliebte Schülerin, umschwärmte Lehrerin und strenge preußische Direktorin – tragisch geht es auch hier zu. Den Fatalismus legen die spärlichen Filme mit queerer Thematik in Österreich erst in den 1980er-Jahren ab.

Ab dann wird es gewagter, erotischer, verspielter. Exemplarisch dafür stehen die Kurzfilme Ursula Pürrers und Ashley Hans Scheirls, die farbenprächtig und verkleidungsfroh Genderrollen subversiv que(e)ren und nun erstmals im Kino zu sehen sind. (Valerie Dirk, 6.6.2022)