Brian Jackson veröffentlicht ein altersloses Alterswerk.

Foto: BBE Records

Glatte Eleganz produzieren viele Musiker. Doch nur die Dringlichkeit verleiht dieser Eleganz einen Mehrwert. Der Alltag ist ja eh verstopft mit akustischem Geplätscher, edel genug, um zu verchromten Shoppingpalästen zu passen, zum Café Latte aus dem 100-Liter-Container, zu den kühlen Sonnenbrillen vom Diskonter. Die Eleganz des Brian Jackson pflegt aber nicht bloß die Oberfläche, sie wurzelt tief.

Nach Jahrzehnten im Schatten des Beinahvergessens hat der US-Amerikaner nun ein neues Album aufgenommen. Davor hat er über 30 Jahre in der New Yorker Stadtverwaltung gejobbt, hat Bildungsprogramme für Kinder erstellt. All die Zeit hatten seine Kolleginnen eine Legende in ihrem Büro sitzen: Brian Jackson war der kongeniale Partner von Gil Scott-Heron. Er war der Mann, der die anklagenden Texte des 2011 gestorbenen Scott-Heron mit Verve übersetzte und dabei einen Jazz-induzierten Soul und Funk erschuf, zu dem die Kids in der Bronx schon Break getanzt haben, als von Hip-Hop noch längst keine Rede war. Etwa zu dem Ghetto-Smash-Hit The Bottle.

270 Gigs pro Jahr

Lange Jahre und viele Alben war Jackson ab den 1970ern der musikalische Direktor des brüderlichen Gespanns gewesen. Die beiden tourten intensiv, Jackson spricht heute von durchschnittlich 270 Auftritten im Jahr. An dieser erzwungenen Nähe zerbrach das Duo letztlich. Davor hatte es Meisterwerke wie Winter in America, It’s Your World oder Bridges veröffentlicht. Sozialkritische Meilensteine der Post-Bürgerrechtsbewegung, denen die Verbitterung über die ausgebliebenen Verbesserungen anzuhören waren.

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Scott-Heron wollte am liebsten so weitermachen, Jackson hingegen war dabei, sich musikalisch zu verändern, sich weiterzuentwickeln. Das sowie die schlimmer werdende Drogensucht Scott-Herons führten schließlich den Bruch herbei. Infolge betrog Scott-Heron Jackson um dessen Tantiemen, und als der das bemerkte, stand er vor der Entscheidung, seine Kinder zu füttern oder die der Anwälte, die er brauchen würde, um zu seinem Recht zu kommen. Dass bei seinem Ex-Partner, einem Crack-Junkie, nicht viel zu holen war, kam erschwerend dazu.

Ruhestand in France

Also wechselte er ins sogenannte bürgerliche Leben, ließ die Musik ein paar Jahre sein und lebt heute im Ruhestand mit Frau und Familie in Südfrankreich; er ist froh, weit weg von den USA zu sein.

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Plötzlich Tagesfreizeit zu haben, Anfragen und Kooperationswünsche ließen in dem heute 69-Jährigen die Idee keimen, erneut Musik zu produzieren. Das manifest benannte This Is Brian Jackson ist das Resultat: Es ist eine Sammlung von alten und neuen Songs, die er unter Zuhilfenahme moderner Technik zusammenführte. Die Ergebnisse sind eine liquide Mischung aus Funk, Afrobeat und einem in den 1970ern verwurzelten Soul-Jazz, wie ihn sein Unterstützer Gilles Peterson, der französische DJ, seit Jahrzehnten missioniert.

Ein Song wie der charakteristisch von Keyboards und Querflöte eingeleitete Opener All Talk klingt wie eine unbekannte Perle von Steely Dan, die ihrerseits eifrige Adepten des Jazz waren und ihn ins Popformat überführt haben. Jacksons Genie erblüht in allen Songs, die immergrüne Noblesse des Jackson-Scott-Heron-Erbes ist omnipräsent. Ein betörendes Alterswerk, dem man kein Alter anmerkt. (Karl Fluch, 5.6.2022)