Am Montag wird in Bosnien-Herzegowina entschieden, ob Finanzminister Vjekoslav Bevanda die Mittel für die Wahl am 2. Oktober bereitstellen wird, die eigentlich schon bis 19. Mai hätte budgetiert werden sollen – oder ob der Hohe Repräsentant Christian Schmidt einschreiten und die Finanzierung kraft seines Amtes absichern muss. Schmidt wäre schon aktiv geworden, wenn sich nicht einige EU-Staaten, allen voran Italien, immer wieder dagegen aussprechen würden.

Die Mission Eufor Althea wird zum Politikum – wieder einmal.
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Der Widerstand einiger Vertreter aus der EU hat auch damit zu tun, dass diese Kräfte nicht wollen, dass der Hohe Repräsentant überhaupt seine Vollmachten gebraucht, weil sie das Amt des Hohen Repräsentanten als Konkurrenz und ihn deshalb nicht in einer durchsetzungsstarken Position sehen wollen. Bevanda wiederum ist von der kroatisch-nationalistischen HDZ, die seit Monaten versucht, ein Wahlgesetz nach ihren ethnopolitischen Machtinteressen durchzusetzen – was ihr allerdings nicht gelungen ist. Deshalb hat die HDZ über Bevanda sogar versucht, die Wahl zu verschieben, und die Finanzierung bisher nicht bereitgestellt.

Falls die staatlichen Strukturen in Bosnien-Herzegowina nicht selbst am Montag in der Lage sein werden, die Finanzierung der Wahl sicherzustellen, und Schmidt einschreiten muss, wird er jedoch eine rechtliche Lösung finden, die es künftig unmöglich machen wird, dass politische Parteien – wie jetzt gerade – die Finanzierung von Wahlen hintertreiben. Niemand wird dann mehr irgendwelche Ausflüchte benutzen können.

In den vergangenen Monaten haben sich immer wieder auch Politiker aus dem Nachbarstaat Kroatien massiv in die Innenpolitik Bosnien-Herzegowinas eingemischt, obwohl Kroatien im Bosnienkrieg (1992–1995) Partei war und im Friedensvertrag von Dayton unterschrieben hat, die Souveränität des Nachbarstaats zu achten.

Forderung nach dritter Entität

Die Einmischung kroatisch-nationalistischer Kräfte geht so weit, dass die Akademie der Wissenschaften und Künste von Kroatien kürzlich sogar gefordert hat, dass eine "dritte Entität" – also ein eigener Landesteil für Kroaten in Bosnien-Herzegowina – geschaffen werden soll, was zuletzt im Krieg von Nationalisten versucht wurde und was zu Vertreibungen und Verbrechen führte, heute aber ganz eindeutig dem Friedensvertrag widerspricht.

Auch von serbisch-nationalistischer Seite kommt es immer wieder zu massiven Provokationen. So verbot der Leiter der Polizeibehörde von Prijedor den alljährlichen Marsch durch die Stadt am sogenannten Tag der "Weißen Armbinden". An diesem Tag wird daran gedacht, dass im Mai 1992 die Muslime in der Region aufgerufen wurden, weiße Armbinden zu tragen oder ihre Häuser mit weißen Tüchern zu markieren, um sie so ausfindig zu machen, zu ermorden oder in Konzentrationslager zu bringen. Der Verein "Weil es mich betrifft" protestierte gegen die Entscheidung des Polizeichefs.

Debatte über künftige Nato-Mission

Prijedor befindet sich in der Republika Srpska (RS), jenem bosnischen Landesteil, wo extreme Nationalisten an der Macht sind, allen voran die Partei SNSD, die unter dem Einfluss Russlands steht und seit Jahren versucht, den Staat Bosnien-Herzegowina zu zerstören und die Abspaltung der RS voranzutreiben. In Bosnien-Herzegowina sind – bisher abgesegnet durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats – Soldaten der EU-Mission Eufor Althea stationiert. Doch Russland könnte im Herbst die Verlängerung der Mission im UN-Sicherheitsrat verweigern.

US-Außenminister Tony Blinken hat Russland deshalb klargemacht, dass es zu einer Stationierung einer Nato-Mission in Bosnien-Herzegowina kommen wird, falls Russland der Verlängerung der Eufor Althea nicht zustimmt. Es ist anzunehmen, dass der Kreml eine EU-Mission noch eher akzeptieren kann als eine Nato-Mission. Zurzeit ist die Position des Kreml aber unklar und vom weiteren Verlauf des Krieges gegen die Ukraine abhängig. Doch innerhalb der Nato gibt es bereits Vorbereitungen für eine künftige Nato-Mission. Im Brüsseler Hauptquartier hat man die Analysen von Rechtsexperten übernommen, die zum Schluss kommen, dass eine etwaige Nato-Mission durch den Annex 1 des Friedensabkommens von Dayton mandatiert wäre und man deshalb keine Zustimmung im UN-Sicherheitsrat braucht.

Deutschland entsendet Soldaten

Bei einer Nato-Mission würde Österreich jedenfalls nicht mehr den Kommandanten stellen können. Auch würden sich möglicherweise andere Nato-Staaten stärker engagieren. Bisher entsenden vor allem Österreich, die Türkei, Ungarn und Rumänien Truppen nach Bosnien-Herzegowina. Doch Deutschland will sich nun auch wieder einbringen und Soldaten schicken, am Anfang vielleicht nur 20, dann möglicherweise aber mehr. Die USA und Großbritannien würden jedenfalls eine Nato-Mission in Bosnien-Herzegowina unterstützen. In Brüssel sieht man aber die Beteiligung der Briten – der Brexit spielt hier eine entscheidende Rolle – sehr skeptisch.

Eine dritte Möglichkeit wäre, dass die Eufor-Mission – falls Russland nicht mehr zustimmt – vom bosnischen Staatspräsidium eingeladen wird. Damit wäre sie aber von der Zustimmung des extremen Nationalisten Milorad Dodik abhängig, der im Staatspräsidium sitzt, was viele Diplomaten und Politiker ablehnen. Klar ist, dass mit einer solchen Einladung durch das Staatspräsidium auf keinen Fall Einschränkungen des exekutiven Mandats verbunden sein dürften, weil in der Folge die Sicherheit der Bürger von Bosnien-Herzegowina weniger effizient geschützt werden könnte. (Adelheid Wölfl, 5.6.2022)