An Schlagzeilen mangelt es der Branche nicht – überwiegend sind es keine positiven. Die großen Themen sind zwischen Umweltverträglichkeit, "flight shaming", Kostenwahrheit und Arbeitsbedingungen aufgespannt. Dazwischen schlagen Milliardenverluste durch die Pandemie, Staatshilfen, Personalabbau und jetzt, vor der Sommersaison, Flugstreichungen wegen Personalmangels und erbittertes Ringen um Konsolidierung zu Buche.

Das Klimaschutzministerium hat, während die neue Luftfahrtstrategie in Ausarbeitung ist, Vertreterinnen aus dem Top-Management der Branche zusammen gerufen, um zu fragen: Wie können wir für Frauen attraktiver werden? Geht das gerade jetzt?
Hintergrund: Alle Organisationen auch in dieser Branche klagen über Mangel, wo die größtmögliche Vielfalt für die Transformation der Mobilität im Zuge der Klimakrise zu bewältigen ist.

Bei der Podiumsdiskussion "Frauen gestalten den Wandel – starkes Zeichen aus der Luftfahrt" diskutierten Barbara Aichleitner, Doris Burger, Isabel Doppelreiter, Bettina Ganghofer und Valerie Hackl. Moderiert von Karin Bauer (DER STANDARD).
Foto: Regine Hendrich

Valerie Hackl, Geschäftsführerin des Flugsicherungsunternehmens Austro Control nimmt den Gegensatz aus der Diskussion: Gerade weil so viel Wandel – vom Mobilitätsverhalten über Flugrouten bis zur Treibstoffumstellung und der Kooperation mit anderen Mobilitätspartnern – ansteht, ist die Branche attraktiv. Mit einem Frauenanteil von nur 18 Prozent bemüht sich die Austro Control derzeit intensiv um Fluglotsinnen. Nicht mit überragendem Erfolg, was Hackl "mit Fragezeichen" zurücklässt. Sie tut, was sehr viele Organisationen tun: Diversitätsprogramme implementieren, die Schlagzahl bei der Kommunikation der Berufsbilder erhöhen, Frauen sichtbar machen, die diese Berufe ausüben.

Doris Burger von der Weiterbildungsuni Krems (vormals Donau-Uni Krems) leitet den MBA-Lehrgang Aviation Management und hält dort derzeit bei 21 Prozent Frauenanteil. Natürlich hätte sie gerne mehr, vergibt auch Frauenstipendien. Die große Trendwende ist allerdings nicht zu sehen.

Welche Karrieren ihre Absolventinnen machen können, zeigt Barbara Achleitner, die Geschäftsführerin der jungen DHL Austria, die zur Deutschen Post DHL mit weltweit 600.000 Mitarbeitenden zählt. 757 Frachtflugzeuge haben die DHLs in Österreich derzeit, und acht Prozent Frauen in der Pilotenschaft. "Wir wollen ein Drittel Frauen – aber wir leiden unter Bewerberinnenmangel." Die Wende zur grüneren Fliegerei ist bei ihr in den Konzern nach dem ESG-Regime (Ecological Social Governance) eingebunden, mit dem Ziel, 2050 klimaneutral zu sein.

Ein Podium der Botschafterinnen

Alle Frauen am Podium schwärmen nachgerade von ihrem Job und versichern die Möglichkeit der Vereinbarkeit mit anderen Lebensbereichen. AUA-Pilotin Isabel Doppelreiter kann gar nicht wirklich verstehen, warum Pilotinnen die Vereinbarkeitsfrage gestellt werde: In der Kabine hinter ihrem Cockpit gebe es überwiegend Frauen, die dieselben Dienstpläne haben wie sie als Pilotin.

"Da haben sehr viele Kinder, auch mehrere Kinder, also geht die Vereinbarkeit offensichtlich." Doppelreiter hat sich ihre Pilotinnenausbildung in Kanada mit diversen Kleinjobs nach einigen Jahren als Flugbegleiterin selbst finanziert und sich dann auf eine freie Stelle bei der Tyrolean beworben. Mittlerweile sitzt sie seit 14 Jahren im Cockpit und war als erste Frau an der Spitze der Austrian Cockpit Association. Mitbegründet hat sie die internationale Female Pilots Working Group, die nunmehr Stimme in vielen internationalen Gremien ist. Wenn ihr "Machokultur" noch begegnet, dann nehme sie es mit Humor.

Nur wenige Teilzeitstunden

Bettina Ganghofer, die viele Jahre weltweit für die Lufthansa und den Mitteldeutschen Flughafen im Management tätig war und nun den Flughafen Salzburg leitet, warnt davor, das Genderthema "zu populistisch" zu diskutieren. Sie nimmt auch die Lebensplanung der Frauen selbst in die Pflicht. "Ich habe Kolleginnen, die gehen in Karenz und kommen dann Teilzeit zurück. Das ist wunderbar für die Frauen und die Familien, aber nicht für die Rente und nicht für die Volkswirtschaft. Wir müssen aufpassen, dass wir Frauen da nicht in eine Ecke stellen, aus der sie nicht mehr herauskommen, indem wir Frausein und Muttersein solcherart schützen."

Die rund 40 Prozent Frauenanteil im Management des Flughafens zu halten, berichtet Ganghofer, werde jedes Jahr schwieriger. "Ich kriege tolle Bewerbungen, aber kaum von Frauen." Dass mangelnde Infrastruktur der Kinderbetreuung, traditionelle Rollenbilder und mangelnde Orientierung schon in der Frühpädagogik auf die Zauberfächer "Mint" – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – zentrale Faktoren sind, die Frauen oft nicht einmal dazu verleiten, ihre Karriere zu planen, bleibt unbestritten und ist zentrales Thema im Fachpublikum.

Mehr Väterkarenz

Natürlich geht es auch um die kaum vorhandene Männerkarenz in der Branche, die nebst Unternehmenskultur möglicherweise in Unternehmen wie der AUA auch am Senioritätsprinzip des Kollektivvertrags liegt. Wortmeldung dazu: "Wir brauchen Männer des 21. Jahrhunderts."
Aber auch an Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher ergeht die Botschaft, das Arbeitsrecht in moderne Zeiten zu führen und die Schutzbestimmungen mitzuziehen. Unter dem Titel "Remote-Work-Gesetz" hatte Kocher diese Prüfung eigentlich auch bis 2023 in Aussicht gestellt.

Das oft beliebte Bashing Junger, die eigentlich nur mehr wenige Stunden arbeiten wollen, fällt in dieser Runde aus: Es werde immer Menschen geben, die viel arbeiten wollen oder müssen, und solche, die andere Lebensprioritäten haben. Ganghofer: "Man kann auch nicht immer sagen, der Staat oder irgendjemand hat die Verantwortung – die haben wir schon selber. Geben wir der einzelnen Person mehr Verantwortung zurück." (Karin Bauer, 5.6.2022)