Justizministerin Alma Zadić hat ihren Beirat verärgert.

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Viele Köche verderben den Bundesstaatsanwalt: Diesen Eindruck bekommt, wer sich gerade in der Arbeitsgruppe und dem Beirat zur großen Justizreform umhört. Da ist davon die Rede, dass Justizministerin Alma Zadić (Grüne) Standpunkte der Arbeitsgruppe falsch wiedergebe, auf der anderen Seite spricht man im Beirat hinter vorgehaltener Hand von "Unfähigkeit, Angst und Verzagtheit" an der Ministeriumsspitze.

Man merkt: Es steht viel auf dem Spiel. Im Grunde geht es um die Frage, wer künftig das letzte Wort über Ermittlungen der Staatsanwaltschaften haben kann. Für Zadić ist es wohl das große Prestigeprojekt ihrer ersten Ministerinnenjahre, mit dem sie bleibende Spuren in der Justizpolitik hinterlassen kann.

Auszutarieren gibt es da viele Interessen. 27 Expertinnen und Experten hat die Ministerin in einer Arbeitsgruppe versammelt, von Vertretern der Justizbehörden über Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte bis hin zu Wissenschaftern und Sektionschefs aus Kanzleramt, Vizekanzleramt und Innenministerium. Als wäre das nicht breit genug, hat Zadić auch noch einen Beirat einberufen, der sie beraten soll. Dort dabei sind Proponentinnen des Antikorruptionsvolksbegehrens wie Martin Kreutner, Heinz Mayer und Irmgard Griss (Neos).

Beirat fühlt sich düpiert

Nun, am Donnerstag, ist es zum großen Krach zwischen den Beteiligten gekommen. Das Justizministerium sandte am Vormittag den Zwischenbericht der Arbeitsgruppe samt Stellungnahme von Zadić aus. Danach herrschte, gelinde gesagt, Verwirrung. Einige Mitglieder der Arbeitsgruppe fühlten sich düpiert, weil sich Zadić für ein "Mehraugenprinzip" an der Spitze der Bundesstatsanwaltschaft aussprach, obwohl im Zwischenbericht eine "monokratische Entscheidungsstruktur" vorgeschlagen wird, sowie eine Entscheidung in Senaten als "gleichwertige" Überlegung.

Der Beirat, der seit Herbst ehrenamtlich für Zadić an dem Projekt arbeitet, erfuhr von alldem aus der Zeitung – offenbar hatte das Kabinett der Justizministerin vergessen, ihm den Zwischenbericht der Arbeitsgruppe vorzulegen. Dort herrscht nun eine angespannte Stimmung, einerseits wegen der Vorgehensweise, andererseits aber auch wegen der Inhalte des Zwischenberichts, die ein Beiratsmitglied mit "Es ist alles sehr kompliziert, und es gibt viele Möglichkeiten" zusammenfasst.

"Nicht komplizierter machen"

Der Beirat hatte schon im April ein eigenes Konzept erarbeitet, das eine Verschlankung des Instanzenzuges vorsah. Oberstaatsanwaltschaften (OStAs) und WKStA sollten ihre Fälle zur Bundesstaatsanwaltschaft bringen können, wo in einem Kollegialgremium darüber entschieden würde. Die Ministerin soll den Beirat gebeten haben, dieses Modell nicht öffentlich vorzustellen, um die Arbeitsgruppe nicht zu verärgern. Dass deren Vorschläge nun publik gemacht wurden, ärgert wiederum den Beirat enorm. Mehrere Mitglieder des Beirats sollen sogar überlegen, dem Projekt aus Protest den Rücken zu kehren.

Martin Kreutner, Mitinitiator des Antikorruptionsvolksbegehren, drückt es mit Blick auf den Bericht der Arbeitsgruppe diplomatisch aus: "Die neue Bundesstaatsanwaltschaft müsste eine Verschlankung bringen und das Berichtswesen nicht komplizierter machen." Deutlich schärfer ist sein Beiratskollege Heinz Mayer: "Die Ministerin ist offenbar nicht in der Lage, das Projekt durchzuziehen."

Auch andere Beiratsmitglieder sind verärgert. Hinter vorgehaltener Hand heißt es etwa: Wenn das Projekt in die von der Arbeitsgruppe vorgegebene Richtung gehe, wäre es "besser, es so wie jetzt zu lassen". Viel ist die Rede davon, dass die politische Ebene – also Zadić – Angst habe, und zwar vor der ÖVP. "Letztendlich fehlt es an Leadership", fasst einer der von Zadić einberufenen Experten zusammen. Es herrsche ein "Tohuwabohu".

Aus dem Justizministerium heißt es, dass "selbstverständlich alle Anmerkungen und auch jede Kritik des Beirats sehr ernst genommen werden". Dieser leiste "einen wichtigen Beitrag bei der Schaffung der Bundesstaatsanwaltschaft".

ÖVP: Politische Verhandlungen beginnen erst

Was dort noch Thema ist: Sauer stößt dem Beirat etwa auf, dass laut Zwischenbericht der Arbeitsgruppe die Generalprokuratur zur Bundesstaatsanwaltschaft umgebaut werden soll; ebenso ist die parlamentarische Kontrolle ein heikles Thema. So forderte die ÖVP, dass ein Unterausschuss des Nationalrats ständig laufende Ermittlungen kontrolliert. "Wenn wir die Verfassung so grundlegend ändern, müssen wir die Auswirkungen auf den Rechtsstaat bedenken. Jedenfalls sind eine demokratische Legitimierung und eine parlamentarische Kontrolle einer derartigen Behörde unabdingbar", bekräftigt Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) auf Anfrage des STANDARD.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Beirat und Arbeitsgruppen dürften aber nur die Ouvertüre sein. "Die konkrete Ausgestaltung wird das Ergebnis politischer Verhandlungen sein, die noch nicht begonnen haben", sagt Edtstadler, die sich prinzipiell zur Einführung eines Bundesstaatsanwalts bekennt. Ein Endbericht der Arbeitsgruppe wird für Sommer oder Herbst erwartet, der Beirat überlegt in der Zwischenzeit "nächste Schritte" – womöglich wird er, entgegen dem Wunsch der Ministerin, mit seinem eigenen Modell öffentlich vorpreschen. (Fabian Schmid, 3.6.2022)