Altlandeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) sieht mit seinem Seniorenbund einigen Prüfungen entgegen.

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Der Hof der Familie Wipplinger liegt idyllisch inmitten der Mühlviertler Hügellandschaft. Streinesberg ist ein Ortsteil der Gemeinde Hörbich im Bezirk Rohrbach. Die Hektik des urbanen Alltags scheint hier weit weg zu sein. Das satte Grün im Vorgarten teilen sich Katze, Hasen und Hühner. Im steinernen Torbogen wartet bereits Leopold Wipplinger. Pensionierter Landwirt, ehemaliger ÖVP-Bürgermeister und seit 2015 Obmann der Seniorenbund-Ortsgruppe Putzleinsdorf. Die einzige Pensionistenvertretung in der Gegend. "Wir sind völlig unpolitisch. Bei uns sind Schwarze, Rote, Blaue. Da wird nicht politisiert, da fragt auch keiner nach einem Parteibuch." Leopold Wipplinger hat mittlerweile am Tisch in der Küche Platz genommen. Schnell merkt man als Gegenüber, dass der Landwirt nicht in seiner Mühlviertler Mitte ist.

Die schwarze Sau

Grund dafür ist die aktuelle Diskussion darüber, dass der oberösterreichische Seniorenbund aus dem Non-Profit-Organisationen-Unterstützungsfonds fast zwei Millionen Euro Corona-Hilfen kassiert hat – obwohl Parteien und ihre Teilorganisationen davon eigentlich ausgeschlossen sind. Argumentiert wird, dass der Seniorenbund die Förderung nicht als Parteiorganisation beantragt habe, sondern für seinen gleichnamigen Verein.

Die heftige Kritik an dem gut gefüllten Fördertopf für die schwarzen Senioren bringt Obmann Wipplinger so richtig in Rage: "Die ÖVP ist die Sau, die man im Moment täglich durchs Dorf treibt. Wir leisten enorme wichtige, ehrenamtliche Tätigkeiten und werden jetzt als Verbrecher hingestellt." Der Landwirt ist im STANDARD-Gespräch überzeugt davon, dass die Förderungen völlig zu Recht ausbezahlt wurden: "Jeder Verein kann Förderungen beantragen. Und uns wurde das vom Sozialministerium sogar geraten." Ob nicht die Nähe zur Partei gar eng wäre und die "Zwillingsstrategie" eigentlich eine Augenauswischerei? Wipplinger: "Es wurde kein Personal bezahlt, nichts für Parteiarbeit oder gar den Wahlkampf aufgewendet." Ein ganzes Jahr rede man im Seniorenbund Putzleinsdorf nicht über Politik: "Ich schaffe die Trennung zur Partei ja auch, obwohl ich auf mein ÖVP-Parteibuch stolz bin."

Wischkurse

1,3 Mio. Euro seien in zwei Jahren gesamt an Ortsgruppen in Oberösterreich gegangen. Zweimal 590 Euro davon an die Ortsgruppe von Leopold Wipplinger: "Umgerechnet etwa 2,4 Euro für jedes unserer 250 Mitglieder. Da schauen S’, Herr Journalist, gell. Bricht man die Summe auf die Ortsgruppen herunter, ist der Betrag plötzlich nicht mehr groß."

Man mag über die Summe diskutieren – was bleibt, ist die Frage, wohin das Geld geflossen ist. Corona-bedingt gab es so gut wie keine Veranstaltungen. Für die Miete von Vereinslokalen vielleicht? Wipplinger: "Nein, nein. Keine der Ortsgruppen außerhalb der Stadt hat ein eigenes Vereinslokal." Aber: "Normal bleibt uns bei diversen Veranstaltungen immer ein bissi ein Geld übrig. Das wir dann für spezielle Aktionen verwenden. Gibt’s zum Beispiel ein Kuchenbuffet für Senioren, bleibt meist was in der Vereinskassa – was wir dann zum Beispiel für Weihnachtsgeschenke oder Blumengestecke für unsere Hochbetagten im Altersheim hernehmen."

Diese "Aufmerksamkeiten wie Blumen, Gestecke, Bastelein" habe es, wenn auch unter erschwerten Bedingungen in zwei Jahren Corona, weiterhin gegeben. "Auch diverse Kurse wie der ‚Wischkurs‘ – ein Handykurs für Senioren – wurden online abgehalten. Das kostet was – nicht viel, aber doch. Und die Einnahmen dafür sind uns ja weggebrochen", rechtfertigt Wipplinger die Zahlungen. Es sei einfach "erschütternd", dass man sich für die "Schwächsten der Gesellschaft" ehrenamtlich engagiert und "dann als unmoralisch hingestellt wird". Auch von einem konkurrierenden Seniorenverband heißt es, dass gerade während der Pandemie von allen Vertretungen wertvolle Arbeit geleistet wurde.

Den NPO-Fonds abgerufen hat jedoch, nach derzeitigem Wissensstand, nur der Seniorenbund. Aus seiner Sicht lassen sich Partei- und Vereinsaktivitäten klar trennen, Förderungen bekam nur der Verein. Kritikerinnen und Kritiker sehen das anders. Für sie ist der Verein ein potemkinsches Dorf, mit dem der Seniorenbund Förderungen und Corona-Beihilfen lukrieren kann.

Um den Streit zu verstehen, muss man in die ersten Monate der Pandemie zurückreisen. Damals, im Mai 2020, beschließt Türkis-Grün den sogenannten NPO-Fonds, der Non-Profit-Organisationen finanziell über Wasser halten soll. Als erstes Fördervolumen werden 700 Millionen Euro genannt, abrufen können diese Leistungen gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Organisationen. Politische Parteien werden explizit ausgeschlossen.

Die Schaffung der Corona-Hilfen fällt in eine chaotische Phase: Die Regierung muss in einer bislang einmaligen Situation rasch handeln. Das führt zu teilweise grotesken Resultaten, auch beim NPO-Fonds. So muss beispielsweise der Styria-Verlag (Presse,Kleine Zeitung, Furche) über diesen Beihilfentopf abrechnen, weil er im Eigentum des Katholischen Pressvereins steht. Auch so manche kirchliche Brauerei findet sich unter den Empfängern dieser Beihilfen, ebenso die "Naturfreunde". Die waren früher eine Teilorganisation der SPÖ, hatten sich aber 2012 von der Partei losgesagt – auch, um neuen Transparenzregeln zu entgehen.

Daten schwer zugänglich

Wer aller gefördert wurde, ist unklar: Öffentlich zugänglich sind mittels EU-Datenbanken nur wenige Informationen. Der Geldfluss an den oberösterreichischen Seniorenbund wurde durch eine parlamentarische Anfrage der Neos an Vizekanzler Werner Kogler publik, dessen Ministerium den NPO-Fonds über die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (AWS) abwickelt – angeblich auf Hinweis eines Seniorenbund-Mitglieds, dem die Geldflüsse nicht koscher vorkamen. Stück für Stück drangen dann weitere NPO-Fondszahlungen an ÖVP-Teilorganisationen an die Öffentlichkeit.

Aus Sicht der Opposition haben sich Vertreter der Volkspartei strafbar gemacht: Die Neos bereiten eine Anzeige vor. Das Vizekanzleramt hat die AWS mit einer Prüfung beauftragt, im Raum steht die Rückzahlung der Gelder. Auch der Rechnungshof interessiert sich. Er hat "diesen Fonds natürlich im Visier", sagt Rechnungshof-Sprecher Christian Neuwirth.

Politisch ist die Angelegenheit verheerend, unabhängig vom Ausgang der Prüfungen. Die ÖVP stolpert von einer Affäre in die nächste – und immer steht der Umgang mit Steuergeld im Raum.

Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos kritisiert, dass Kogler in der parlamentarischen Anfragebeantwortung nicht "alles offengelegt" habe. Man müsse erfahren können, wer warum welche Beihilfe erhalten habe. Die gesamte Thematik der Corona-Beihilfen werde das Parlament "noch lange beschäftigen", sagt Hoyos zum STANDARD. (Markus Rohrhofer, Jan MIchael Marchart, Fabian Schmid, 4.6.2022)