Lehrlinge fehlen und damit künftige Fachkräfte. Hier ein paar Dutzend, dort ein paar Hundert – je nach Branche und Ost-West-Ausrichtung. Insgesamt sind anhaltend tausende Lehrstellen in Industrie, Hotellerie und im Handwerk unbesetzt – Tendenz steigend.

Das hat bereits zu vielen (kleinen) Maßnahmen geführt. Die Lehrlingsentschädigung heißt jetzt Entgelt. Unternehmen sind in einen Wettlauf der Anreize eingetreten – vom bezahlten Führerschein über das geschenkte Moped bis zu zwei Wochen Zusatzurlaub für Lehrlinge, wie der Flugzeugbau-Zulieferer FACC in der Vorwoche verkündete.

In vielen Branchen bleiben derzeit Lehrstellen unbesetzt – Tendenz steigend.
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Viele Firmen machen ihr Ding. Das ist alles gut und notwendig, bleibt aber letztlich Kosmetik. Tatsächlich ist es vor allem im urbanen Gebiet noch so, dass die Lehre ihr Image als Ausbildung zweiter Klasse noch nicht ganz abgeschüttelt hat.

Zwar gibt es die (kaum gemachte – wie denn auch neben einer 40-Stunden-Woche?) Berufsmatura. Zwar können auch Menschen nur mit Berufserfahrung akademische Weihen erlangen. Bachelor professional und Master professional dürfen nunmehr in Österreich angeboten werden. Was da an zu bezahlenden Studien nebst dem in Ausarbeitung befindlichen E-Commerce-Bachelor kommen wird, ist noch offen. Auch der Zugang zu einem Fachhochschulstudium ist ohne Matura grundsätzlich möglich.

Fehlendes Angebot

Aber hilft das bei einer Entscheidung für die Lehre? Oder fühlen sich viele Eltern nicht doch noch auf der sicheren Statusseite, wenn sie den Nachwuchs durch die Matura bringen? Ist die Sorge von der Hand zu weisen, dass die Kinder in Berufen, die es morgen schon gar nicht mehr gibt, ausgebildet werden und dann mühsam um Durchlässigkeit in höhere Bildungssysteme ringen müssen? Andererseits: Bloß Matura ohne jegliche Berührungspunkte ins Jobleben – ist das optimal?

Die Wirtschaftskammer könnte viel bewegen, indem sie duale Modelle wie im Nationalen Qualifikationsrahmen vorgesehen vorantreibt. Damit gibt’s eine abgeschlossene Lehrausbildung und gleich einen Fuß in der höheren Bildung nach der Matura. In Deutschland ist das "in" und macht die Lehre für Maturantinnen und Maturanten attraktiv. In Österreich gibt es ein paar wenige Unternehmen, die dabei sind.

Der Bildungsminister könnte auch bei der Lehre mithelfen: Eltern wollen die breitestmögliche Ausbildung für ihre Kinder. Und 14-Jährige können nicht wissen, was sie beruflich wollen. Wo bleiben die Angebote von vielen Schulen, die Lehre und Matura über fünf Jahre parallel machen? (Karin Bauer, 6.6.2022)