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PRO: Teure Hobbys für den Staat

von Manuel Escher

Manch einer hat ein Pferd im Stall stehen, anderen gefallen goldene Uhren und antiker Schmuck. Teure Hobbys nennt man das gemeinhin, sie sind Privatpersonen unbenommen. Auch viele Staaten haben teure Hobbys. Sie leisten sich überdimensionierte Faschingsgilden in alten Roben, die ganzjährig große Anwesen und Schlösser bewohnen und denen regelmäßig Feste ausgerichtet werden. Zu bestaunen ist ein solches Festival mitten in der Wirtschaftskrise gerade in London: das Thronjubiläum der Queen.

Einer modernen Demokratie ist das unwürdig, nicht nur aus finanziellen Gründen. Spätestens seit der Aufklärung ist klar, dass gekrönte Häupter "von Gottes Gnaden" an der Spitze eines Landes nichts zu suchen haben. Im Gegenteil, sie stellen das denkbar schlechteste Symbol für einen Rechtsstaat dar, vor dem doch alle Menschen gleich zu sein haben.

Geht nicht, passt nicht zu uns? Das hat man anderswo auch geglaubt. Aber Deutschland, Frankreich, Polen, Irland – sie alle fahren gut ohne Kaiser, König, Queen, Hofstaat und -gesinde.

Doch sind nicht viele Royals ohnehin verwurzelt in der Zivilgesellschaft, als Mechanikerinnen im Krieg, Übersetzerinnen von Kinderbüchern, Aktivisten im Umweltschutz? Blendend: Das wird die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern. Immerhin leisten auch andere Menschen wichtige Dienste in der Gesellschaft. Sie sollte man feiern. Und wenn sie sich einer Wahl stellen, sollen sie auch den Staat führen dürfen. (Manuel Escher, 3.6.2022)

KONTRA: Lasst sie leben!

von Thomas Mayer

Sie gehören bei Jubiläen, royalen Hochzeiten und Affären ebenso zum Chor wie die Jubelschreiber der Yellow Press: Pompverächter und Königinnenfresser, die die Monarchie gleich abschaffen wollen. Rund um das Dienstjubiläum der Queen herrscht Hochkonjunktur. Und alle, alle, Fans wie Gegner, hängen wieder an den Bildschirmen. Zeitungen und Magazine quellen über, weltweit.

Elizabeth II machte 70 Jahre lang keinen schlechten Job. Geschichte wiegt schwer. Man muss kein Royalist sein, um Verachtung der Monarchie für ein etwas kleinliches, republikanisches Hobby zu halten. Überhaupt scheint es so, dass der Reflex in Ländern ausgeprägt ist, wo unrühmliche kaiserliche und totalitäre Vergangenheit unbewältigt blieb; wo man und frau sich angesichts von Korruptionsaffären bürgerlicher Republiksdiener mit "So sind wir nicht!"-Sinnfragen quälen. Wo der Präsident agiert und spricht wie ein gütiger Monarch.

Wie entspannt ist da doch Belgien, wo der König ein brüchiges Land zusammenhält, während Parteien fast zwei Jahre lang keine Regierung bilden konnten. Auch das Königreich Niederlande und das Großherzogtum Luxemburg sind Musterländer liberaler Toleranz – von den solidarisch-modernen Monarchien in Nordeuropa gar nicht zu reden. Sterbehilfe, schwule Premierminister, starke Grundrechte gibt es seit "ewig". Da kann manche Republik etwas lernen. Man lebt da gut. Entspannt euch, lasst Könige leben! Und vor allem die Queen. (Thomas Mayer, 3.6.2022)