In Farbe: Ein Bild der Salzburger Pfingsfestspiele.

Foto: APA/SF/MONIKA RITTERSHAUS

Salzburg – Aus der Geburtsstadt des Gaudimax Mozart ist von einer wahren Flut der Heiterkeit zu berichten. Als erste Quelle dafür ist Cecilia Bartoli auszumachen. Die Heiterkeit der Vokalvirtuosin erinnert bekanntlich an ein munteres Bächlein, das blubbert, gluckst und sprudelt. Der zweite Zufluss: Rolando Villazón. Die Heiterkeit des Mexikaners ist druckvoller, kommt einer Fontäne, einem Hochstrahlbrunnen, einem Wasserwerfer gleich: umwerfend lustig! Wenn nun die quirlige Intendantin der Salzburger Pfingstfestspiele den quietschfidelen Intendanten der Salzburger Mozartwoche einlädt, an der Salzach eine der populärsten komischen Opern der Musikgeschichte zu inszenieren, dann muss das doch ein ziemlicher Kracher werden. Oder nicht?

Ouvertüre in Schwarz-Weiß

Es wurde auf jeden Fall ein Publikumserfolg! Denn Villazón bot bei Rossinis Il barbiere di Siviglia Gags, Gags, Gags, Klamauk und Slapstick. Und eine rührende Rahmenhandlung noch mit dazu: Im Haus für Mozart ist es ein älterer Requisiteur eines Filmstudios (Arturo Brachetti), der sich zwischen ausgedienten Kulissen die Handlung von Rossinis Buffa herbeifantasiert (Bühne: Harald B. Thor). Eine Stummfilmdiva, die der Salzburger Intendantin bis aufs Haar gleicht, inspiriert ihn zu diesen Träumen; zur Ouvertüre wird ein Best-Of ihrer Filmerfolge in Schwarz-Weiß gezeigt. Cecilia Bartoli singt die Partie der Barbiere-Rosina zwar nicht seit Stummfilmzeiten, aber doch schon eine Weile: Seit gut dreieinhalb Jahrzehnten stellt die Majestät des Mezzo-Koloraturfachs ihre Sangesdienste in den Dienst des Souveräns, ihres Publikums. Noch einmal so lang, und sie reicht in Sachen Beständigkeit an Queen Elizabeth heran.

Dreieinhalb Stunden dauerte die Vorführung.
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Doch die Bartoli möchte in Salzburg mit der Rosina "zum vielleicht letzten Mal" zu jener Partie zurückkehren, mit der sie Mitte der 1980er Jahre in Rom den Grundstein für ihre beeindruckende Weltkarriere gelegt hat. Aber warum eigentlich? Die Gurgel läuft wie geschmiert, quecksilbrig schimmernd die Koloraturen, die Registerwechsel gelingen bruchlos. Da gehen sich noch ein paar Jährchen aus! Die Kollegen, die sich die Chefin an ihre Seite engagiert hat, sind vom Feinsten – allen voran Edgardo Rocha, der als Conte d’Almaviva nicht nur Villazóns Klamaukvorgaben lustvoll umsetzt, sondern auch mit einem allerfeinsten tenore di grazia erfreut. Ein uruguayanischer Juan Diego Flórez quasi, nur timbretechnisch etwas schneidiger und variabler. Die Titelpartie legt Nicola Alaimo kraftvoll und gebieterisch an, der Italiener expandiert seinen Figaro in Richtung Falstaff. Aber Spielwitz und Elastizität sind auch dem Routinier gegeben, und so werden die Duette und Terzette zu feinstem Entertainment. Kein alter Tattergreis, sondern stimmlich noch voll im Saft: Alessandro Corbelli als Rosinas geldgieriger Vormund Bartolo. Mächtig und düster Ildebrando d’Arcangelos Basilio, hier auf Nosferatu gestylt.

Kreative, farbige Akzente

In Summe sieht das hochnoble Salzburger Festspielpublikum eine Produktion, die auch von der Wiener Volksoper stammen könnte – wo Villazón ja auch schon inszeniert hat. Alles ein bisschen altmodisch, sentimental und klamaukig – und am Ende singen viele Herren mit Frack und Zylinder (Kostüme: Brigitte Reiffenstuel). Da hat Cecilia Bartoli in den vergangenen zehn Jahren als Salzburger Pfingstwunderwaffe auch schon originellere Regiekräfte wirken lassen – man erinnere sich etwa an Damiano Michielettos Deutung der Cenerentola 2014, mit der Bartoli als schwer geprüfter Servicekraft im Selbstbedienungsrestaurant. Für die musikalische Leitung ist heuer Gianluca Capuano verantwortlich; die Musiciens du Prince – Monaco klingen am Anfang noch etwas schmalbrüstig und holprig, aber man gewöhnt sich daran. Zitate aus der Filmmusik werden eingeflochten, der Mann am Hammerklavier (Andrea Del Bianco) setzt in der Continuogruppe kreative, farbige Akzente. Und der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) gefällt vor allem im Leisen. Die brütende Hitze im Haus für Mozart – nicht mal in Bayreuth ist es heißer! – lässt die Konzentration während der gut dreieinhalb Stunden immer wieder kurz absacken, am Ende wirkt aber das Jubelgeschrei des Publikums wie ein Weckruf. Bravi! (Stefan Ender, 4.6.2022)