Im Wahlkampf 2017 war Heinz-Christian Strache FPÖ-Chef, Christian Kern Bundeskanzler und Sebastian Kurz am Weg zum Ballhausplatz. Heute sind alle drei unternehmerisch tätig und mit Ermittlungen involviert: Strache als Angeklagter und nicht-rechtskräftig Verurteilter, Kern als Zeuge, Kurz als Beschuldigter

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Die Ermittlungen gegen den früheren Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz ziehen weite Kreise. Dabei geht es vor allem um dessen Beziehung zum Unternehmer Siegfried Wolf. Was Kurz und Wolf besprachen, könnte für das Verfahren wegen des Verdachts auf Falschaussage gegen Kurz von großem Interesse sein. So wird Kurz bekanntlich vorgeworfen, den Ibiza-U-Ausschuss nicht wahrheitsgetreu über seine Pläne für die Staatsholding Öbag informiert zu haben.

Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sehr sich Kurz in die Personalentscheidungen bei der Öbag involviert hat. Der Ex-Kanzler beharrt ja darauf, dass er lediglich Vorschläge gemacht habe, alle Entscheidungen aber vom zuständigen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) getroffen worden wären. Für die Ermittler der WKStA legen Chats und Zeugenaussagen aber etwas anderes nahe, sie vermuten einen starken Einfluss von Kurz auf die Öbag – nur seien dessen Pläne aufgrund des Ibiza-Videos nicht umgesetzt worden.

Chats, Chats, Chats

Unbestritten ist, dass Kurz mit dem Gedanken spielte, Wolf zum Öbag-Aufsichtsratschef zu machen. Aber Löger habe sich dagegen entschieden, heißt es vonseiten der ÖVP. Ermittler haben aber die These, dass lediglich das Erscheinen des Ibiza-Videos dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und Wolf später, im Sommer 2021, sehr wohl Öbag-Aufsichtsratschef geworden wäre.

Die WKStA hat bereits im Mai 2021, zu Beginn ihrer Ermittlungen gegen Kurz, viele Indizien zusammengetragen, die aus ihrer Sicht für den Verdacht auf Falschaussage sprechen. Staatsanwälte verglichen damals Kurz’ Aussagen vor dem U-Ausschuss mit bereits vorliegenden Chatnachrichten und sahen eklatante Abweichungen. Dazu wurde Kurz dann im Herbst 2021 als Beschuldigter vor Gericht einvernommen.

Offenbar will die WKStA den Verdachtslagen weitaus breitflächiger nachgehen, auch mit Blick auf die zwischenzeitlich publik gewordenen Ermittlungen gegen Siegfried Wolf, der rund um seine Steuerangelegenheiten eine Beamtin bestochen haben soll. Die WKStA hat zu der Thematik zahlreiche Einvernahmen durchgeführt, darunter auch mit dem früheren Kanzler Christian Kern (SPÖ).

"Eher ungewöhnlich für einen Manager"

"Wolf kenne ich schon lange", gab Kern bei seiner Einvernahme Ende April zu Protokoll. Dieser sei Aufsichtsratsmitglied des Verbund gewesen, als Kern dort Vorstandsmitglied war. Die Arbeitsbeziehung sei "distanziert aber korrekt" gewesen. Als Kern dann bei den ÖBB war, habe Wolf ihm einmal mitgeteilt, dass sein russisches Unternehmen GAZ womöglich bei einer Ausschreibung der ÖBB für Nutzfahrzeuge mitmachen könnte; dazu soll es aber nie gekommen sein.

"Ich hatte damals keine Wahrnehmungen, dass Wolf politisch der Sozialdemokratie nahegestanden wäre", sagte Kern. Dessen Aussagen im U-Ausschuss, er sei Mitglied der SPÖ gewesen, habe Kern "mit Interesse vernommen". Ihm sei im Wahljahr 2017 vielmehr eine "eindeutige Parteinahme für Kurz aufgefallen", die "eher ungewöhnlich für einen Manager" gewesen sei.

Wolf soll der erste Unternehmer gewesen sein, der sich für Kurz stark gemacht hat. Schon im Sommer 2016, als ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner noch fest im Sattel saß und Kurz als Außenminister aktiv war, soll Wolf für Kurz eine Art Spendenrallye in seinem Schloss Reifnitz betrieben haben. "Nach der Veranstaltung (…) sind sehr schnell Gerüchte aufgekommen in politischen Kreisen über den Fundraisingcharakter der Veranstaltung", sagte Kern dazu den Ermittlern. Mitterlehner, damals Kerns Vizekanzler, habe ihm "gelegentlich seinen Ärger mitgeteilt über Spendensammlungen Kurz’ hinter seinem Rücken". Er habe ihm auch von anderen Veranstaltungen "zu Gunsten von Kurz erzählt".

Im Wahlkampf hatte das Team von Christian Kern auch einen großen Auftritt beim Magna-Konzern geplant, bei dem Wolf einst jahrzehntelang tätig gewesen ist. Dieser fiel aber sprichwörtlich ins Wasser, wie Kern erzählte: "Aus meinem Mitarbeiterteam wurde mir mitgeteilt, dass ein Wassereintritt am Standort diesen Termin verunmögliche". Zuvor hatte Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid Wolf gebeten, den Termin zu verhindern.

Zu all dem will die WKStA mehr herausfinden: Sie plant laut Ermittlungsaufträgen Einvernahmen von damaligen Kern-Mitarbeitern, Magna-Personal und ÖVP-nahen Unternehmern, die womöglich bei Wolfs Veranstaltung für Kurz anwesend waren. Der Ex-Kanzler bestreitet alle Vorwürfe vehement, es gilt die Unschuldsvermutung. (fsc, 4.6.2022)