Dem ukrainischen Oligarchen gehört eine Chemiefabrik, in der Zivilisten derzeit Schutz suchen.

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Sjewjerodonezk/Wien/Kiew (Kyjiw) – Angesichts der dramatischen Situation im ostukrainischen Swjewjerodonezk hat der in Wien lebende ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch vor der Wiederholung eines Szenarios wie in Mariupol gewarnt. Firtaschs Holding GroupDF besitzt die Swjewjerodonezker Chemiefabrik Asot, in deren Bunkern sich 800 Zivilisten aufhalten sollen, darunter 200 Fabriksarbeiter. Russland müsse den laufenden Angriff bedingungslos einstellen, forderte der Ukrainer am Samstag laut einer Aussendung.

"Hochexplosive Chemikalien"

Trotz des verstärkten Angriffs russischer Truppen seien 200 Mitarbeiter in der Stickstofffabrik geblieben, um die Reste von dort lagernden "hochexplosiven Chemikalien" bestmöglich zu sichern und professionell zu schützen, hieß es in der Aussendung. Ein Großteil des in der Anlage gelagerten Stickstoffs sei jedoch rechtzeitig aus dem Konfliktgebiet evakuiert worden.

Der Oligarch Dmytro Firtasch befindet sich nach einem jahrelangen Justizstreit nach wie vor zwangsweise in Österreich.
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Bis Donnerstag sei man noch in der Lage gewesen, Lebensmittel, Wasser und andere wichtige Güter für Zivilisten in das Asot-Werk zu transportieren, erklärte Firtasch. Seit Freitag hätten jedoch keine Transporte mehr das Werk erreicht.

"Dieser Krieg ist völlig sinnlos und in keiner Weise zu rechtfertigen. Er bringt nur Leid und Elend auf allen Seiten", sagte der Ukrainer, der gleichzeitig eine "unerträgliche humanitäre Tragödie" beklagte.

Zwangsweise in Österreich

Firtasch, der sich im Zusammenhang mit einem US-Auslieferungsbegehren seit 2014 zwangsweise in Österreich aufhält, hatte sich kurz nach Kriegsbeginn Ende Februar deutlich gegen die russische Invasion der Ukraine positioniert. Sein Vorhaben, temporär in die Heimat zurückzukehren, um vor Ort zu ihrer Verteidigung beizutragen, scheiterte jedoch an einer fehlenden gerichtlichen Genehmigung.

Staatsanwälte in Chicago verlangen seit 2014 die Auslieferung Firtaschs im Zusammenhang mit angeblichen Schmiergeldzahlungen an indische Politiker in Höhe von mindestens 18,5 Millionen Dollar bei einem nie realisierten Titangeschäft. Firtasch bestreitet die Vorwürfe. Im März 2014 wurde er in Österreich festgenommen, aber gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro auf freien Fuß gesetzt. In erster Instanz hatte das Landesgericht Wien gegen eine Auslieferung entschieden, weil die Anklage politisch motiviert sei. Das Oberlandesgericht Wien dagegen erklärte im Februar 2017 die Auslieferung Firtaschs für zulässig, was schließlich vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde.

Mit seinem im Sommer 2019 gestellten Wiederaufnahmeantrag verlangte der Ukrainer, dass sein Auslieferungsverfahren noch einmal von vorn beginnt. In erster Instanz wurde dieser Antrag im März 2022 abgelehnt, wonach Firtaschs Anwälte Beschwerde einlegten. Nun muss sich das Oberlandesgericht Wien mit der Frage beschäftigen, ob Firtaschs Auslieferungsverfahren erneut gestartet werden soll. (APA, 4.6.2022)